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Kopf hoch, nicht die Hände

erschienen in Lotta, Ausgabe 2,

Es sind Frauen, die vielfach prekär arbeiten und leben. Sie aber sind es auch, die dagegen aufbegehren. Wie? Lotta hat nachgefragt.

Die Betriebsrätin

Mona Frias packt ihre Koffer, räumt ihr Büro. Die Betriebsratsvor- sitzende für die Schlecker-Filialen in Berlin und Brandenburg wird ihren entlassenen Kolleginnen nur noch ein paar Tage beim Zurecht- finden im Jobcenterdschungel unter die Arme greifen können. Dann ist auch für sie Schluss bei Schlecker. Die Massenentlassungen bei Schlecker sind eine Tragödie für jede einzelne Verkäuferinnen: arbeitslos, magere staatliche Unterstützung, dazu die Unsicherheit, wie geht es beruflich weiter. Mona Frias bleibt Ansprechpartnerin bis zum bitteren Ende. Sie höre nicht auf, zu kämpfen, sagt sie, auch für sich selbst. Auf die Frage, ob mit ihr als Streiterin für bessere Arbeitsverhältnisse weiter zu rechnen sei, sagt sie schnörkellos: „Klar, zum Bewerbungsgespräch geh’ ich mit ver.di-Anstecker!“

 

Die Sucherin

Friederike Habermann ist Volkswirtin und kennt die Formulierung »alternativlos« nicht. Sie suchte Gegenentwürfe zu schlechter Bezahlung und unsicherer Arbeit. In ihrem Buch »Halbinseln gegen den Strom« stellt sie einige Modelle und Projekte für ein anderes Miteinanderleben vor. Gemeinschaftsgärten, Tauschringe und viele andere Formen des zusammen Wirtschaftens hat Habermann aufgetan. In Deutschland sind solche alternativen Projekte nicht selten weiblich geprägt. Warum das so ist, erklärt sich Habermann so: »Vielleicht kommt dies, weil in den traditionellen weiblichen Tätigkeiten – wie Kindererziehung oder Pflege – ja auch nicht alles entlohnt wird und damit jenseits von Geld und Tauschlogik geschieht?« Friederike Habermann bündelte unterschiedliche Projekte in ihrem Buch. Das zu lesen ist schon spannend, es einfach auszuprobieren, wahrscheinlich noch mehr.

 

Rebellische Seniorinnen

In Berlin Pankow soll ein Seniorenfreizeittreff geschlossen werden. So wollen es unter anderem SPD und Grüne. Die Betroffenen nicht, sie besetzten ihr Haus. Seitdem geben sich Fernsehteams die Klinke in die Hand,  der Fraktionsvorsitzende der Berliner LINKEN, Udo Wolf, bringt Kuchen, Nachbarn spenden. Doris Syrbe, Vorsitzende des Seniorenclubvorstandes in der Stillen Straße, hat sich von zuhause einen Liegestuhl mitgebracht und übernachtet seit der Besetzung im Versammlungszimmer. Im Haus tragen vor allem Frauen den Protest. Sie kochen gemeinsam und schützen ihr Haus. Seit 20 Jahren ist es ihr Treffpunkt, ihre Gemeinschaft, und nun bedroht eine Rotstiftpolitik das soziale Miteinander. Noch ist der Entscheidungsprozess zur endgültigen Schließung nicht beendet. Der Protest der Seniorinnen erstaunt und Doris Syrbe sagt: „Wir gehen hier nicht weg!“.