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Keine Rendite mit der Miete

erschienen in Klar, Ausgabe 36,

Ein Film über den Berliner Wohnungsmarkt feiert internationale Erfolge und ermutigt zum Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt.

Der Film »Mietrebellen« zeigt die Schattenseiten des Hauptstadt-Booms: gierige Investoren, skrupellose Makler, rasant steigende Mieten. Und er stellt Menschen vor, die füreinander kämpfen und sich gemeinsam wehren – gegen Zwangsräumungen in der Nachbarschaft und Immobilienspekulanten im Kiez.

Gedreht haben die Dokumentation der Berliner Filmemacher Matthias Coers, Jahrgang 1969, und seine Partnerin Gertrud Schulte Westenberg. Der 78-minütige Film schildert den Kampf unterschiedlicher Berliner Mieterinitiativen. Er erzählt beispielsweise den Fall der Rentnerin Rosemarie Fließ. Die betagte Frau wird im Jahr 2013 trotz Protests und ärztlicher Bedenken unter Zwang aus ihrer Wohnung geworfen. Zwei Tage später stirbt sie in einem Obdachlosenheim.

Die Dokumentation schildert die Geschichte der Familie Gülbol aus Berlin-Kreuzberg. Zweimal sollte sie aus ihrer Wohnung vertrieben werden – zweimal wird die Vollstreckung wegen Protests ausgesetzt. Schließlich setzen fast 1000 Polizisten, Hubschraubereinsatz inklusive, die Zwangsräumung durch. Vorgestellt wird auch eine Gruppe von Rentnerinnen, die im Stadtteil Pankow für den Erhalt ihrer Seniorenbegegnungsstätte kämpfen und aus Protest das Haus besetzen – und damit schließlich Erfolg haben.

Obwohl ein Film über Berlin, wird »Mietrebellen« in vielen Städten im Ausland vorgeführt: in Wien, Dublin, Glasgow, Córdoba, Amsterdam, im Kosovo, in Istanbul, Moskau, Brest, Groningen. Teils bei Film- und Kunstfestivals, teils bei politischen Kongressen und Konferenzen. Bundesweit ist der Film bereits in 21 Kinos gelaufen – und oft wurde nach der Vorführung im Publikum diskutiert.

Filmemacher Coers hat den Film absichtlich kurz gehalten. »Der Film soll vor Ort zu Debatten über die lokale Situation führen.« Das Ganze sei ein politisches Projekt. Deshalb lädt er auch oft Initiativen oder Fachleute ein, die sich im Anschluss an die Filmvorführung vorstellen beziehungsweise das Thema vertiefen.

In Mannheim habe sich nach einer Filmaufführung eine Handvoll älterer Menschen zusammengefunden, die alle in Mietskasernen lebten, die das städtische Wohnungsunternehmen abreißen wollte. Kurz entschlossen organisierten sie eine Kundgebung vor dem Büro des Unternehmens. Ähnliche Episoden gibt es aus vielen anderen Städten zu berichten. Was in Berlin passiert, »regt in anderen Städten die Fantasie an«, sagt Coers.

Als der Streifen kürzlich zum hundertsten Mal im Berliner Kino Moviemento lief, berichtete eine griechische Geografin über den Wohnungsmarkt in ihrer Heimat. Sie arbeitet an der Universität Edinburgh in Schottland und hatte »Mietrebellen« im August in London gesehen, bei einer großen Konferenz der Royal Geographical Society. Am selben Tag, an dem der Film in der englischen Hauptstadt vor wissenschaftlichem Publikum lief, wurde er in Leipzig bei einem Doku-Festival und in Hamburg bei einem großen Treffen der Hausbesetzerszene in der berühmten »Roten Flora« gezeigt. Bis jetzt ist »Mietrebellen« bereits mehr als 330 Mal öffentlich gelaufen, in 40 Städten in 15 Ländern. Ohne Werbung des Filmteams hat sich das Interesse an der Dokumentation von Berlin aus verbreitet.

In Bukarest machen sich mittlerweile Freiwillige an eine Übersetzung der Untertitel. Auf Englisch, Französisch und Spanisch gibt es die schon, Griechisch und Italienisch seien fast fertig, sagt Coers. Für Anfang 2016 plant er eine DVD des Films – »für die weltweite Rezeption«.