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Keine Heldinnender Gratisarbeit! Oder: Warum wir anders arbeiten müssen

Von Katja Kipping, erschienen in Lotta, Ausgabe 5,

Eine Betrachtung von Katja Kipping

Die im vergangenen Jahr verstorbene Feministin Shulamith Firestone machte 1970, also vor mehr als vierzig Jahren, auf den Zusammenhang von Geschlecht und Arbeitsverteilung aufmerksam. Die Manhattan Chase Bank hatte damals festgestellt, dass Frauen durchschnittlich mehr als neunzig Stunden pro Woche unbezahlte Arbeit leisten – als Hausarbeit, als Erziehungsarbeit und bei der Pflege von Familienmitglieder. Würde diese Arbeit bezahlt, der Kapitalismus bräche zusammen, so Firestone damals. Ihre Analyse ist nach wie vor aktuell, denn an der geschlechtsspezifischen Arbeitsverteilung hat sich bis heute nichts Grundsätzliches geändert. Sorgearbeit ist immer noch weiblich. Zwei Drittel der unbezahlten Hausarbeit werden von Frauen geleistet. Bei der Pflege und Betreuung von Angehörigen leisten Frauen mehr als das Doppelte. Und dort, wo Sorgearbeit bezahlt wird, ist sie meist prekär, schlecht vergütet, nicht sozial versichert. Durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors und den Wandel der Arbeitswelt sind Firestones Thesen sogar noch brisanter geworden. Für viele Frauen ist es auch mit Job unmöglich, eine Familie zu ernähren. Die zunehmenden Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen im Job führen zu einer Überbeanspruchung bei allen, die heimische Sorgearbeit mit Lohnarbeit vereinbaren müssen.

Die meisten Burn-out-Erkrankungen entstehen daher nicht etwa in den männlich dominierten oberen Etagen der Bankentürme, sondern auf den Fluren von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Öffentliche Gelder fließen in die »Rettung« von Kreditinstituten, statt in angemessene Löhne für Erzieherinnen und Erzieher oder für eine hinreichende Zahl von Schwestern und Pflegern. Die immer größeren Lücken sollen, so der Appell der Bundesregierung, durch ehrenamtliches Engagement, also wieder durch überwiegend von Frauen geleistete Gratisarbeit, geschlossen werden.

Shulamith Firestone hatte damals einige interessante Vorschläge gemacht, wie mit dieser immergleichen Logik gebrochen werden kann. Sie reichen von einem Grundeinkommen bis hin zu einem anderen Städtebau. Diese Diskussionen gilt es weiterzuführen, aber auch die sozialen Kämpfe. Arbeitskämpfe für eine radikale Arbeitszeitverkürzung, Kämpfe um soziale Infrastruktur und Kämpfe um einen anderen Arbeitsbegriff. Einer, der die Sorgearbeit nicht abspaltet, sondern sichtbar macht und gesellschaftlich anerkennt.

 

Katja Kipping ist Vorsitzende der Partei DIE LINKE und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE