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„Karzai hat Kriegsverbrecher ins Kabinett geholt“

erschienen in Klar, Ausgabe 16,

Jan van Aken und Christine Buchholz reisten Anfang Februar fünf Tage durch Afghanistan. Der Fraktionsvize und die friedenspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE trafen Opfer des Bundeswehr-Bombardements in Kunduz und sprachen mit Entwicklungshelfern und afghanischen Politikern.

Welche neuen Informationen haben Sie aus den Gesprächen mit Opfern und Angehörigen des Kunduz-Bombardements gewonnen?

Jan van Aken: Bisher unbekannt war mir vor allem die große Zahl der getöteten Kinder. Aus den Gesprächen vor Ort haben wir erfahren, dass die Tanklaster ein großes Ereignis im Dorf darstellten: Alle sind dahin gelaufen, selbst kleine Kinder. Nur um zu gucken, was da los ist.

Christine Buchholz: Nach Recherchen von zwei Mitgliedern des dortigen Regionalparlaments waren allein 26 Schüler unter den Toten.

van Aken: Das wirft die ganz große Frage auf: Warum wusste die Bundeswehr das vor dem Bombenabwurf nicht, denn Kinder unterscheiden sich ganz eindeutig von Taliban? Wie konnte dieser Fehler passieren? Das alles muss im Untersuchungsausschuss geklärt werden.

In Kabul haben Sie Organisationen getroffen, die zivilen Wiederaufbau betreiben. Wie schätzen Sie die Arbeit dieser Organisationen ein?

van Aken: Spannend ist, dass Entwicklungshelfer ohne Militär in Gebiete fahren können, die eigentlich als „No-go-Area“ gelten. Sie erzählten uns von einem landwirtschaftlichen Projekt in der Provinz Uruzgan, man sagte ihnen, dort würden sie sofort vom Acker geschossen. Wurden sie aber nicht.

Warum nicht?

van Aken: Bevor sie das Projekt starteten, haben sie zusammen mit Afghanen erst einmal analysiert, wie die Provinz eigentlich funktioniert. Wer dort das Sagen hat, wer die kämpfenden Fraktionen sind. Dann haben sie gemeinsam mit den wichtigen Leuten langfristig geplant. Sie haben nicht einfach nur einen Brunnen gebohrt, sondern ganz konkret die Möglichkeiten der Landwirtschaft, der Verwertung und des Verkaufs der Produkte besprochen und aufgebaut.

Selbst in umkämpften Provinzen ist es also möglich, langfristig Entwicklungsarbeit zu leisten.

van Aken: Wenn man die Menschen vor Ort konkret in den Aufbau einbezieht, dann wird auch nichts zerstört, wenn das Militär wieder weg ist.

Buchholz: Es gibt zahlreiche positive Beispiele des zivilen Aufbaus. Aber die so genannte zivilmilitärische Kooperation der Bundeswehr funktioniert nicht: Sie ist letztendlich nur Begleitmusik für einen Militäreinsatz und orientiert sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen. Sie führt immer wieder zu Gefechten.

Sie haben auch den Vizepräsidenten des afghanischen Parlaments, Amanullah Paiman, gesprochen. Wie schätzt er die Lage ein?

Buchholz: Er sagte uns: „Mehr Soldaten, mehr Probleme.“ Ihm ist es gar nicht recht, dass jetzt noch mehr Soldaten kommen. Er sieht die Lösung im zivilen Aufbau.

Und andere Gesprächspartner?

van Aken: Ein wichtiges Thema für viele Afghanen sind die Kriegsverbrecher und Banditen, die Teil des Parlaments und sogar der Regierung sind. Solange das so ist, wird es keinen Frieden geben. Es ist problematisch, dass der Westen ausgerechnet Karzai unterstützt, der Kriegsverbrecher ins Kabinett geholt hat.