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In Memoriam: Die Neuseeländerinnen waren die Ersten

erschienen in Lotta, Ausgabe 9,

25 Jahre bevor deutsche Frauen erstmalig wählen durften, hatten die Neuseeländerinnen bereits dieses verbriefte Recht. Durchgeboxt hatte das Kate Sheppard. Eine Erinnerung an sie.

Kate Sheppard wurde 1847 oder vielleicht auch 1848 in Liverpool geboren. Je nach Artikel aus der Geschichte sind beide Jahreszahlen angegeben. Nachdem ihr Vater früh verstarb, wanderte die Familie nach Neuseeland aus. Sie wuchs in stark religiös geprägten Verhältnissen auf, in denen zugleich ihr Interesse an den sozialen Veränderungen ihrer Zeit geweckt wurde. Nachdem sie 1871 geheiratet hatte, engagierte sie sich in der Trinity Congregational Church für eine Abstinenzbewegung. Denn mit der Industriellen Revolution und den wachsenden sozialen Problemen war der Alkoholismus vor allem unter den Proletariern verbreitet und belastet deren Familien. Für Sheppard waren die Frauen die Hauptleidtragenden. Auf internationaler Ebene setzte sich seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts die Women‘s Christian Temperance Union für die Rechte der Frauen und für ein Alkoholverbot ein. 1885 gründete Kate Sheppard gemeinsam mit amerikanische Frauen einen Ableger dieser Organisation in Neuseeland. Den Aktivistinnen wurde jedoch schnell klar, dass sie politisch nur dann etwas erreichen könnten, wenn die Frauen das aktive Wahlrecht erhalten würden. 1887 gründeten sie das Franchise Department (Wahlrechtsabteilung) und begannen mit verschiedenen Kampagnen. Zugleich initiierte Kate Sheppard zwischen 1888 und 1893 mehrere Parlaments-Petitionen, um das uneingeschränkte Frauenwahlrecht in Neuseeland einzufordern. Die letzte Kampagne, an der sich etwa ein Drittel aller neuseeländischen Frauen über 21 Jahren beteiligten, brachte den Durchbruch. Am 19. September 1893 beschlossen die Abgeordneten des neuseeländischen Parlaments eine Veränderung des Wahlrechts: Frauen über 21 Jahren wurde das aktive Wahlrecht zugestanden. Damit gehört Neuseeland zu den Pionieren des Frauenwahlrechts. Zur Erinnerung: In Deutschland wurde das Frauenwahlrecht erst am 12. November 1918 eingeführt. Die Frauen in der Schweiz mussten bis 1971 darauf warten, in Lichtenstein sogar bis 1984.
Die Wahlbeteiligung der neuseeländischen Frauen an der nachfolgenden Wahl war überwältigend. Kate Sheppard wurde auch in den Folgejahren als eine der führenden Köpfe im Kampf um Frauenrechte angesehen und fand auch große Anerkennung in der internationalen Frauenbewegung. Im Jahr 1895 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Journals „The White Ribbon“ (Das Weiße Band), der ersten ausschließlich von Frauen erstellten Zeitung in Neuseeland. Ein Jahr später wurde sie zur ersten Präsidentin des National Council of Women gewählt. 1903 zwangen sie gesundheitliche Gründe, sich aus der aktiven politischen Arbeit zurückzuziehen. Im Juli 1934 verstarb sie in Christchurch. Vergessen ist sie in Neuseeland bis heute nicht. In Christchurch wurde ihr ein Denkmal gesetzt, und die Reserve Bank of New Zealand beschloss 1990, dass ihr Bild die Vorderseite der neuseeländischen 10-Dollar-Banknote prägt. Einer der Leitsätze von Kate Sheppard lautete: „Alles, was trennt, ob von Rasse, Klasse, Religion oder Geschlecht, ist unmenschlich und muss überwunden werden.“ Eine Botschaft, die bis heute nichts an Bedeutung verloren hat.