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Im Zweifel für die Wirtschaft

erschienen in Clara, Ausgabe 32,

TTIP soll Konzerninteressen nch besser schützen - durch Investitionsschutzklauseln

Der Teufel steckt für gewöhnlich im Detail. Bei TTIP versteckt er sich hinter komplizierten Worten. »Investitionsschutzklausel« ist so ein Beispiel.

Um zu verstehen, was sich dahinter verbirgt, lohnt ein Blick zurück in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Welthandel und die internationale Vernetzung der Unternehmen wieder stark anzogen. Was für die Konzerne viel Wachstum und Gewinn versprach, stellte sie zugleich vor Probleme: Wie kann man bei dem Durcheinander aus verschiedenen Gesetzen, Justizsystemen und bei instabilen politischen Systemen rechtssicher agieren? Wer oder was sollte etwa Daimler Benz oder Siemens vor Enteignung in Pakistan, Chile oder China schützen?

Eine Lösung unter dem Dach der Vereinten Nationen scheiterte in den 1950er Jahren, und so machten sich die Staaten selbst daran, Investitionsfragen untereinander zu regeln. Im Jahr 1959 schloss Deutschland das erste Investitionsabkommen mit Pakistan. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 3 000 bi- und multilaterale Abkommen dieser Art, Deutschland allein hat mehr als 100 unterzeichnet.

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA soll ebenfalls eine Investitionsschutzklausel enthalten. Rechtsunsicherheit ist dafür sicher kein Grund. Schon heute haben mehr als 75 000 Unternehmen gleichzeitig in der EU und in den USA einen Sitz und machen seit Jahrzehnten problemlos Geschäfte. Streitfälle lassen sich jederzeit vor ordentlichen Gerichten klären. Warum soll es dann noch eine solche Investitionsschutzklausel im TTIP geben?

Die Antwort ist so einfach wie skandalös: weil Unternehmen sich so eine »Privatjustiz« schaffen und ordentliche Gerichtsverfahren umgehen können. Genutzt werden spezielle Schiedsverfahren in den Investitionsabkommen. Konzerne haben dies bisher vor allem gegen Länder des Südens genutzt. In jüngster Zeit erkannten sie, dass Schiedsverfahren generell gegen unliebsame politische Regeln und Entscheidungen schützen können und sich damit viel Geld machen lässt.

Die geheimen Schiedsverfahren sind nicht mit ordentlichen Gerichtsverfahren zu verwechseln. Drei Fachanwälte bilden das Tribunal und verhandeln über die Klage eines Konzerns. Etwa gegen den Beschluss, aus der Atomenergie auszusteigen oder abschreckende Bilder und Warnhinweise auf Zigarettenverpackungen drucken zu lassen. Was wie ein Scherz klingt, ist längst Realität. Im ersten Fall fordert der schwedische Energiemulti Vattenfall über 4 Milliarden Euro Schadensersatz von Deutschland. Im zweiten Fall geht der US-Tabakkonzern Philip Morris gegen Australien und Uruguay vor – demnächst vielleicht auch gegen die EU, die Ähnliches beschloss.

Keines der über 500 bekannten Schiedsverfahren genügt rechtsstaatlichen Prinzipien. Unabhängige Geschworene, Experten oder unterschiedliche Instanzen? Fehlanzeige! Dafür sind Schiedsverfahren mittlerweile sprudelnde Einnahmequellen für einige Anwaltskanzleien. Kein Wunder bei einem Stundensatz von bis zu 1.000 US-Dollar und üppiger Erfolgsbeteiligung. Für »klagende« Unternehmen zahlen sich die Verfahren meist aus. Etwa 60 Prozent wurden bisher zu ihren Gunsten entschieden. Die Verfahrenskosten trägt immer auch anteilig der jeweilige Staat, und bei Einigung gibt es eine steuerfinanzierte Kompensation oder Anpassung der »beklagten« gesetzlichen Regeln.

Jede Investitionsschutzklausel im TTIP lässt sich für Konzerne aus der EU und den USA nutzen, um in unzähligen Politikbereichen gegen Regeln vorzugehen, die ihre Profite schmälern. Anwaltskanzleien, Prozessberater und Finanziers freuen sich darauf und reiben sich die Hände. Denn dieses Geschäft der politischen Selbstentmachtung in großem Stil lässt ihre Kassen klingeln.