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Ihr gutes Recht

Von Wolfgang Neskovic, erschienen in Clara, Ausgabe 23,

Wolfgang Neskovic, Justiziar der Fraktion DIE LINKE und Richter am

Bundesgerichtshof a.D., kommentiert in jeder Ausgabe der clara aktuelle Urteile.

 

Sozialauswahl und Altersdiskriminierung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2011 – 2 AZR 42/10) hat die Sozialauswahl zur Sicherung einer ausgewogenen Alters-struktur auch innerhalb von Altersgruppen (zum Beispiel der 21 bis 30 Jahre alten, der 31 bis 40 Jahre alten Arbeitnehmer usf.) verteidigt. Eine Arbeitnehmerin sah sich durch eine solche Sozialauswahl in ihrem Le-bensalter diskriminiert und erhob Kündigungsschutzklage. Das BAG ar-gumentierte, die in Rede stehende Sozialauswahl verstoße nicht gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Einerseits würden die sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit steigendem Lebensalter berücksichtigt, und gleichzeitig werde durch die Bildung von Altersgrup-pen einer Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer vorgebeugt. Damit wür-den die Interessen jüngerer und älterer Arbeitnehmer angemessen aus-geglichen.

Mitbestimmung bei Versetzungen während eines Arbeitskampfs

Nach § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz hat der Arbeitgeber »den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten«. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 1 ABR 2/10) geht nun davon aus, dass diese Pflicht nicht bestehe, wenn der Arbeitgeber »arbeitswillige« Arbeitnehmer aus einem nicht be-streikten Bereich in einem vom Arbeitskampf betroffenen Bereich einsetzt. Das Gericht meint, dass andernfalls die Arbeitskampffreiheit des Arbeit-gebers »ernsthaft beeinträchtigt würde«.

Heizkosten sind nach dem Leistungsprinzip abzurechnen

Bei Heizkostenabrechnungen sind zwei Möglichkeiten denkbar: Der Ver-mieter stellt den Mietern die Vorauszahlungen in Rechnung, die er an das Energiever-sorgungsunternehmen gezahlt hat (Abflussprinzip), oder er berechnet den tatsächlichen Verbrauch der Mie-ter (Leistungsprinzip). Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass das Abflussprinzip unzulässig ist (BGH Urteil vom 1. Februar 2012 – VIII ZR 156/11). Der Vermieter müsse die in der Abrechnungsperiode tatsäch-lich verbrauchte Energie abrechnen. Legt er seine Vorauszahlungen an das Energieversorgungsunternehmen zugrunde, könne der Mieter »eine neue Heizkostenabrechnung fordern«.

Unzulässige Eingriffe in das Sozialgeheimnis

Sozialdaten unterliegen dem Sozialgeheimnis, das heißt sie dürfen grundsätzlich nicht von den Leistungsträgern (z.?B. Jobcenter) erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Im streitigen Fall waren die Kläger um-gezogen und hatten vom Jobcenter die Übernahme einer Mietkaution sowie zwei Schränke für ihre Kinder beantragt. Daraufhin teilte das Job-center dem ehemaligen Vermieter mit, dass die Kläger Leistungen nach dem SGB II beziehen, und erfragte den Rückzahlungstermin der Kaution. Außerdem erkundigte sich das Jobcenter, ob den Mietern zwei Ein-bauschränke zur Verfügung gestellt wurden. Das Bundessozialgericht hat in der Entscheidung (BSG Urteil vom 25. Januar 2012, B 14 AS 65/11 R) festgestellt, dass hier ein unzulässiger Eingriff in das Sozialgeheimnis vorliege; das Jobcenter hätte zunächst das Einverständnis der Mieter einholen müssen.