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„Ich habe mich integriert, trotzdem finde ich keine Arbeit“

erschienen in Klar, Ausgabe 16,

Der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) behauptet: Unter Türken und Arabern in Deutschland seien „große Teile weder integrationswillig noch integrationsfähig“. Viele von ihnen hätten „keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel“. Wahr ist, dass Migrantinnen und Migranten in Deutschland überdurchschnittlich oft arm und erwerbslos sind. Wahr ist aber auch, dass sie es viel schwerer als Deutsche haben, eine Arbeit und Wohnung zu finden. Über die Ursachen hierfür - soziale und politische Ausgrenzung und Diskriminierung - schweigt Sarrazin. Stattdessen macht er die Betroffenen für ihre Situation verantwortlich.
Gülaysan Karaaslan, Mamady Kaba und Marwa Al-Radwany berichten, wie sie für Integration und gegen Ausgrenzung kämpfen.

Gülaysan Karaaslan ist 44 Jahre alt und sucht derzeit eine Stelle als Köchin. Sie kam 1978 aus der Türkei nach Deutschland. Mit ihren zwei Kindern lebt sie in Berlin.
„Ich würde gerne wissen, was manche Politiker mit Integration meinen. Ich habe einen Beruf gelernt, ich habe die Sprache gelernt, und inzwischen besitze ich sogar die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich habe mich integriert. Trotzdem finde ich im Moment weder Arbeit noch eine neue Wohnung. Mein Name bestimmt meine Chancen. Egal, wie viel Mühe ich mir gebe, ich bin immer nur ›Ausländerin‹.“

Mamady Kaba (29) arbeitet als Vorarbeiter auf Baustellen. Im Jahr 2001 kam er aus Guinea nach Frankreich und ein Jahr später nach Deutschland. Er wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin.
„Ich würde mich gerne in Deutschland integrieren. Aber die Behörden machen es mir schwer. In Afrika und Frankreich habe ich Kfz-Mechaniker gelernt. Die Anerkennungsstelle hat mein Zeugnis nicht anerkannt, als ich hier Arbeit gesucht habe. Auch manche Kollegen machen es mir schwer. Als Schwarzer ist es nicht einfach, ein Vorarbeiter zu sein. Manche Leute auf den Baustellen fragen mich sogar, ob ich lesen und schreiben kann. Das macht mich wütend. Wenn Politiker sagen, dass Ausländer sich nicht integrieren wollen, kann ich von mir sagen: Das stimmt nicht. Ich will, aber es gibt einfach wenig Möglichkeiten zur Integration. Wer diese nicht bekommt, hat irgendwann keine Lust mehr.“

Marwa Al-Radwany wurde vor 25 Jahren im Irak geboren und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Die Studentin steht der Initiative „Grenzen-Los!“ vor, in dessen Theaterprojekt Jugendliche mit Migrationshintergrund mitarbeiten.
„Wir haben ein kulturelles Angebot für Jugendliche geschaffen. Sie haben uns von ihren Erlebnissen auf der Straße und in der Schule erzählt und ihre Gedanken über die Welt. Das haben wir auf der Bühne umgesetzt. Anfangs spielte der Irak-Krieg eine große Rolle, aber auch die Verdächtigungen gegen Muslime. Ich halte diese Verdachtsstimmung für gefährlich - nicht nur für Muslimas und Muslime, sondern für das ganze Zusammenleben. Deswegen haben wir ein Netzwerk gegen antimuslimischen Rassismus gegründet. Sogar der Rotary-Club in Potsdam hat uns zu einem Vortrag eingeladen.“