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ICE oder Schnecke?

erschienen in Querblick, Ausgabe 6,

Spärliche Erfolge bei Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union

Gleichstellung ist in der Europäischen Union ohne Frage ein fest verankertes Politikfeld. Ausgehend von einigen wenigen Artikeln in den Römischen Verträgen wurde seit Mitte der siebziger Jahre ein differenziertes Regelwerk mit zahlreichen Richtlinien verabschiedet, mit dem auch in den Mitgliedsstaaten wichtige Impulse hinsichtlich Gleichstellung von Frauen und Männern gesetzt wurden. Dass die EU durchaus nationalstaatliche Debatten und Fortschritt anstoßen konnte, zeigen die immer noch brisanten Themen Lohndiskriminierung, Quote oder Unisex-Tarife.

Mit der Einführung der Strategie Gender Mainstreaming hat die Zahl der Politikfelder, in denen Gleichstellung umgesetzt werden soll, zugenommen. Seitdem formulieren auch immer mehr AkteurInnen aus nationalstaatlicher und europäischer öffentlicher Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft politische Ziele. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, in der Strukturen für Gleichstellungspolitik massiv reduziert werden, sind auf europäischer Ebene in den letzten Jahren in verschiedenen Generaldirektionen und Instituten fachspezifische Gruppen ausgebaut worden. Ebenso ordnet man in der EU Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch unter Gleichstellung ein und nicht umgekehrt.

Der »Fahrplan zur Gleichstellung von Frauen und Männern 2006–2010« zeigt, dass neben Vereinbarkeit auch andere Themen wahrgenommen und bearbeitet werden. Ziele sind gleichberechtigte Teilnahme bei Entscheidungen, Bekämpfung geschlechterbezogener Gewalt und Menschenhandels, Abbau von Geschlechterstereotypen, Förderung von Gleichstellung außerhalb der EU und als Schwerpunkt die gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und Männer. Der EU-Fahrplan zeigt neben der Fortsetzung von Gleichstellungspolitik aber auch, dass seit dem vorangegangenen gleichstellungspolitischen Aktionsprogramm die Dynamik abzunehmen scheint. Gleichstellungspolitik bleibt an vielen Stellen ein Lippenbekenntnis, denn eine Umsetzung ist kaum zu spüren. Warum auch, wenn die Europäische Kommission mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip weiterhin darauf verzichten muss, ernsthafte Sanktionen gegenüber ihren Mitgliedsstaaten anzuwenden.

So wird der »Fahrplan« vorerst ein zahnloser Tiger bleiben. Anders gesagt liegt das Tempo für die europäische Gleichstellungspolitik in den Händen der nationalen Regierungen. Insofern ist die Schnecke bei der Dynamik in Sachen Gleichstellungspolitik in der EU wohl noch schneller als ein ICE.
Petra Ahrens