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Handelsliberalisierung trifft die Frauen besonders

erschienen in Querblick, Ausgabe 7,

Handelsliberalisierung  trifft die Frauen besonders
Bei Gütern, Dienstleistungen und in der Landwirtschaft sind Nachteile am größten
Frauen leiden mehr unter der Konkurrenz auf dem Weltmarkt als Männer. In vielen Ländern haben die Frauen einen schlechteren Zugang zu Ressourcen, Land, Krediten, Bildung, Erwerbstätigkeit und Entscheidungspositionen.

Agrarsektor, Güter, Dienstleistungen – in jedem Bereich sind geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Handelsliberalisierungen spürbar. Meist sind es die Männer, die wegen der schlechten Lebensbedingungen auf dem Land in die Städte ziehen, um dort Arbeit zu suchen. Die Frauen bleiben zurück und produzieren die notwendigen Grundnahrungsmittel für sich und die lokalen Märkte. Die Welternährungsorganisation FAO spricht von einer »Feminisierung der Landwirtschaft«. In Entwicklungsländern wird zwischen 60 und 80 Prozent der Nahrung von Frauen produziert. Durch die Liberalisierung verdrängt der Export die Produktion von Grundnahrungsmitteln. Subventionierte Nahrungsmittel aus den Industrieländern überschwemmen die lokalen Märkte. Mit beiden Entwicklungen können die Kleinbäuerinnen nicht konkurrieren. Große, exportorientierte und intensiv wirtschaftende Betriebe eigenen sich das Land an. Die Bäuerinnen verlieren ihre Existenzgrundlage.

Neben den natürlichen Rohstoffen ist der »Rohstoff« Frau zum Standortvorteil für den Süden geworden. 80 Prozent der Beschäftigten in den Exportproduktionszonen sind nach Angaben der Vereinten Nationen Frauen. Hier werden Waren wie Kleidung, Spielzeug und Sportartikel für den Norden produziert. Hier sind soziale und arbeitsrechtliche Gesetze außer Kraft gesetzt. Arbeitszeiten von 10 bis 12 Stunden an sechs Tagen pro Woche, kaum Pausen, unbezahlte Überstunden, erzwungene Schwangerschaftstests und sexuelle Belästigung sind »normal«. Liberalisierungsverpflichtungen im Rahmen des Dienstleistungsabkommens GATS führen zum Abbau staatlicher Leistungen. Die Grundversorgung wird privatisiert. Bei der mittellosen Bevölkerung werden vormals staatliche Versorgungsleistungen auf die Schultern angehöriger, unbezahlter Frauen verlagert.

Gleichheit in der Wirtschaft gehört zum Grundrecht von Frauen und muss ein eigenständiges Entwicklungsziel sein. Das bedeutet eine Abkehr von der Liberalisierungsideologie auch in der Handelspolitik. Lokale Märkte und regionale Kreisläufe müssen geschützt werden können. Die soziale Reproduktion und die öffentlichen Güter müssen eine eigene Wertschätzung erfahren. Nur so gibt es Chancen für mehr Geschlechtergerechtigkeit.
Ulla Lötzer, MdB, Sprecherin für Internationale Wirtschaftspolitik und Globalisierung