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Häuser aus 3-D-Druckern

erschienen in Clara, Ausgabe 36,

Die Kombination aus erneuerbaren Energien mit dem Internet birgt eine Chance für eine sozialere Verteilung von Wohlstand, meint Anke Domscheit-Berg.

Zum dritten Mal in der Geschichte treffen neue Technologien der Energiegewinnung und der Kommunikation aufeinander und lösen umfassende Veränderungen aus: Bei der Industriellen Revolution waren es Buchdruck und Dampfmaschine, dann fossile Brennstoffe und elektrische Kommunikation, und jetzt führt die Kombination erneuerbarer Energien mit dem Internet zu einer dritten Industriellen Revolution, die wieder Branchen aussterben und völlig neue entstehen lassen wird. Machtverhältnisse werden verändert, enorme Wohlstandsfortschritte möglich. Umwälzungen dieser Dimension werden jedoch oft nur als Krise beschrieben.

Eine durch das Internet erleichterte Share Economy bedeutet aber nicht nur den Wegfall von 80 Prozent Autos ohne Mobilitätsverlust und damit von vielen Arbeitsplätzen in der Autoindustrie. Sie bedeutet auch die Einsparung kostbarer Ressourcen um 80 Prozent – eine notwendige Veränderung, wollen wir die Erde nicht endgültig ruinieren und die Spaltung zwischen reichen und armen Ländern weiter vertiefen.

Die Vision einer gerechteren Gesellschaft, eines „Commonismus“ (von Commons = Gemeingüter), wird greifbar als echte Alternative zum Kapitalismus. Heute lassen sich nicht nur Gegenstände, sondern auch virtuelle Güter teilen – das Wissen der Welt etwa in Datenbanken wie der Wikipedia und in Beschreibungen von Problemlösungen, die Not lindern, Menschenleben retten, Lebensqualität erhöhen.

Eine der größten Chancen für eine sozialere Verteilung von Wohlstand in unserer Welt birgt die 3-D-Druck-Technologie, die das Eigentum an Produktionsmitteln demokratisiert. Künftig kann überall produziert werden – im 3-D-Druckshop um die Ecke oder zu Hause. Die Kombination dieser Technologie mit freien Datenbanken, die Druckdateien für alle Arten von Gegenständen enthalten, und mit Softwareprogrammen, mit denen solche Dateien verändert oder erstellt werden können, wird heutige Produktionsketten sprengen und viele Globalisierungskreisläufe überflüssig machen.

Ein Haus für 5.000 Dollar

Vorausgesetzt, man verteilte den Zugang zu Land gerechter, wäre auch das Wohnungsproblem für viele Menschen preiswerter und schneller lösbar – auch nach Katastrophen. In China wurden zehn Häuser an einem einzigen Tag zu Stückkosten von weniger als 5.000 US-Dollar gedruckt, aus Bauabfall. Die NASA forscht am Druck von Häusern aus Gestein und Sedimenten, die man auf dem Mars, aber auch auf der Erde findet.

Wie viel Leid ließe sich lindern, wenn Prothesen, medizinisches Gerät, Haut und transplantierbare Organe gedruckt werden können? In beliebiger Menge, zu minimalen Kosten, wo, wann und wie man sie benötigt? Herzen werden noch zehn Jahre brauchen, aber Haut und Prothesen werden jetzt schon gedruckt, Handprothesen für unter fünf US-Dollar Materialkosten – die Datei gibt es kostenlos im Internet, selbst mit auswechselbaren Teilen wie vormontierten Werkzeugen, die ein unabhängiges Arbeitsleben auch für Handamputierte möglich machen.

Mit der Welthungerhilfe und einer äthiopischen Nichtregierungsorganisation entwickle ich gerade ein Konzept, wie man aus Abfallplastik Rohstoff für 3-D-Drucker herstellen und daraus Dinge des täglichen Bedarfs produzieren kann, die ihrerseits recyclingfähig sind. Selbst Kleinigkeiten wie gedruckte Wasserhähne für Plastikcontainer, die das Händewaschen nach dem Toilettenbesuch erleichtern, sind wertvoll, denn sie bedeuten weniger Todesfälle durch vermeidbare Krankheiten.

All diese positiven Szenarien sind realistisch, aber ob und wie schnell sie Realität werden, hängt letztlich von uns ab, von unserer Bereitschaft zu teilen, von unserer Offenheit für Veränderungen auch radikalerer Art. Auch ethische Fragen müssen wir endlich anders beantworten: Darf ein Copyright auf ein Herz schwerer wiegen als ein Menschenleben? Nach heutiger Rechtslage ist die unerträgliche Antwort darauf Ja.

Anke Domscheit-Berg, Jahrgang 1968, ist Publizistin, Unternehmerin und Netzaktivistin. Von 2013 bis 2014 war sie Vorsitzende der Piratenpartei in Brandenburg, der sie mittlerweile nicht mehr angehört.