Zum Hauptinhalt springen

Gleichstellung von Frauen und Männern ist eine zentrale Frage der Demokratie

erschienen in Querblick, Ausgabe 2,

Die Schwerpunkte des Fahrplans für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006 – 2010 der Europäischen Kommission sprechen wichtige Themen an, die auch für DIE LINKE. von großer Bedeutung sind. Beispielhaft sei hier nur der Kampf gegen die Gewalt an Frauen genannt. Im Folgenden möchte ich mich jedoch auf den ersten Punkt des Dokumentes konzentrieren, die »gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit für Frauen und Männer«. Denn hierbei werden die neoliberalen Verfehlungen der derzeitigen EU-Politik besonders deutlich.

Für uns LINKE ist Gleichstellung eine zentrale Frage der Demokratie. Gerade im Jahr der Chancengleichheit muss daran erinnert werden, dass es der Europäischen Union – zumindest auf dem Papier – um mehr geht als formale Chancengleichheit, beispielsweise beim Zugang zu Bildungsinstitutionen oder Arbeitsplätzen. Ohne die Verwirklichung sozialer Rechte bleibt es bei liberalem Wettbewerbsdenken, von dem nur wenige Frauen profitieren werden.

Minijobs drängen Frauen in Armutsspiralen

Zwar hat sich die europäische Gleichstellungspolitik auf die Fahnen geschrieben, die Erwerbsintegration von Frauen zu fördern. Aber im Zuge der Lissabonstrategie wurde die Anzahl der Frauenarbeitsplätze erhöht, indem sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zerstückelt und in Teilzeitarbeitsplätze oder sogar Mini- bzw. Midijobs umgewandelt wurden. So werden Frauen weiter in Abhängigkeits- und Armutsspiralen gedrängt. Dazu kommt eine skandalöse Lohndiskriminierung von Frauen: Ihre Einkommen liegen in Deutschland durchschnittlich 20 Prozent unter denen von Männern. Tendenz weiter fallend.

Gesetzlicher Mindestlohn gegen Frauenarmut

Mit Blick auf den Niedriglohnsektor, in dem überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten, setzen wir uns dafür ein, dass europaweit existenzsichernde Mindestlöhne eingeführt werden. Viele unserer Nachbarländer machen uns dies bereits vor. In Deutschland blockiert die große Koalition jedoch die Forderungen von Gewerkschaften und Linken nach einem bundeseinheitlichen, gesetzlich garantierten Mindestlohn. Müntefering versucht sich mit branchenspezifischen Regelungen durchzumogeln. Gerade für viele Frauen wäre dies keine Lösung. Arzthelferinnen – zu fast 100 Prozent Frauen – arbeiten beispielsweise zu Tariflöhnen, die nicht zum Leben reichen.

Für sie, wie für viele andere Menschen auch, ist ein gesetzlicher Mindestlohn notwendig, der flächendeckend über den zu niedrigen Tariflöhnen angesetzt wird. Wir schlagen vor, mit einem Mindeststundenlohn von acht Euro zu beginnen. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um Frauenarmut zu bekämpfen und auch eine sinnvolle Maßnahme, um die Lohndiskriminierung von Frauen einzudämmen.

Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft

Darüber hinaus brauchen wir Impulse für eine qualitative Beschäftigungspolitik. Um wirkliche Chancengleichheit zu erreichen, sind unterstützende Maßnahmen notwendig, wie beispielsweise Quotenregelungen, um die benachteiligten Gruppen zu unterstützen. Wir begrüßen die Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Allerdings sind die der-zeitigen Regelungen nicht weitgehend genug. Zusätzlich zu einer wirksamen Antidiskriminierungspolitik muss die Gleichstellung von Frauen und Männern konsequent und aktiv gefördert werden. Dazu ist bei uns endlich ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft notwendig.

Betreuung mit Börsenumsatzsteuer finanzieren

Darüber hinaus fordern wir eine bedarfsdeckende und elternbeitragsfreie Kinderbetreuung. Dies ist auch deshalb so wichtig, weil die Verantwortung für Kinder in Deutschland die Erwerbsbeteiligung von Frauen nach wie vor gravierender beeinträchtigt. Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen haben wir auch einen Vorschlag, wie diese ganz einfach zu finanzieren wäre. Wir schlagen dazu ?u. a. eine Börsenumsatzsteuer vor. Die Börsen in Deutschland setzen jährlich 3,8 Billionen Euro um. Wenn diese, wie in Irland, nur mit einem Prozent besteuert würden, brächte dies mindestens 30 Milliarden Euro in die Staatskasse und damit eine solide Basis, um freie Kindergartenplätze für alle zu finanzieren.

Wirkliche Chancengleichheit ist erst dann erreicht, wenn Frauen und Männer eine vergleichbare Erfolgsrate aufweisen. Unabhängig davon, wie alt oder jung sie sind, ob sie einen Migrationshintergrund haben, eine Behinderung oder aus welchen Gründen auch immer sie derzeit von der gleichen Teilhabe an unserer Gesellschaft ausgeschlossen werden. Für ihre gleichberechtigte Teilhabe wird DIE LINKE. sich auch in Zukunft stark machen, denn für uns kann es keine soziale Gerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit geben.

Oskar Lafontaine, MdB, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE.