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Für mehr und bessere Ausbildung

Von Agnes Alpers,

Liebe Leserinnen und Leser!

Jedes Jahr aufs Neue bleibt vielen jungen Menschen eine Ausbildung verwehrt. Hunderttausende Bewerber und Bewerberinnen gehen leer aus – nur jede/r Zweite erhält einen Ausbildungsplatz! Wer keinen Ausbildungsplatz ergattert, landet häufig in einem Praktikum oder einer berufsvorbereitenden Maßnahme des Übergangssystems. Viele andere melden sich erst gar nicht bei der Bundesagentur für Arbeit, weil sie sich selbst einen Job suchen oder sie rut-schen nach unzähligen erfolglosen Bewerbungen in die Arbeitslosigkeit. All diese jungen Men-schen werden dann nicht mehr als ausbildungssuchend gezählt. Von Bewerbermangel kann also nicht die Rede sein, vielmehr gibt es einen anhaltenden Ausbildungsplatzmangel.

Und der ist hausgemacht: Seit Jahren setzt die Politik auf die Selbstverpflichtung der Betriebe. Diese stehlen sich gekonnt aus der gesellschaftlichen Verantwortung. Nur ein Viertel aller Betriebe bildet aus. DIE LINKE streitet für einen grundlegenden Kurswechsel in der Berufsbildungspolitik. Wir setzen uns für verbindliche Abmachungen zwischen Politik und Wirtschaft ein: Für ein Mehr an Ausbildungsplätzen und für die Verbesserung der Ausbildungsqualität. Das kann uns nur in Kooperation mit vielen Akteuren gelingen. Parlamentarische Initiativen allein werden nicht ausreichen. Mit diesem Folder wollen wir über die anhaltende Ausbildungsmisere und unsere Alternativen in der Berufsbildungspolitik informieren. Wir laden euch ein, mitzudiskutieren und mitzukämpfen!

Mit solidarischen Grüßen
Agnes Alpers
Sprecherin für berufliche Aus- und Weiterbildung der Bundestagsfraktion DIE LINKE


Ausbildung ist ein Grundrecht

Der Artikel 12 des Grundgesetzes besagt: Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Um die freie Wahl des Ausbildungsplatzes zu gewährleisten, muss die Zahl der Ausbildungsplätze 12,5 Prozent über der Zahl der Ausbildungssuchenden liegen. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1980 festgestellt. Von dieser Zielmarke ist die Bundesrepublik allerdings weit entfernt. In Zeiten des Ausbildungsplatzmangels wählen sich die Betriebe ihre Auszubildenden aus. Die soziale Auslese im Ausbildungsbereich wird massiv verstärkt. Wer keine Bestnoten hat, einen Migrationshintergrund oder eine Behinderung aufweist, hat kaum eine Chance auf eine Ausbildung. Im Bewerbungsverfahren wird ausgesiebt. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, damit junge Menschen ihre Berufswünsche realisieren können. Wir als LINKE gehen einen Schritt weiter: Ausbildung ist ein Grundrecht. Das Recht auf Ausbildung muss im Grundgesetz verankert werden. In diesem Bereich gibt es bereits seit einigen Jahren viel Bewegung im außerparlamentarischen Raum. Wir tragen diese Bewegungen ins Parlament.

Umlage statt Pakt: Wer nicht ausbildet, soll zahlen!

Die Bundesregierung weigert sich beharrlich, die Betriebe per Gesetz in die Pflicht zur Ausbildung zu nehmen. Stattdessen hält sie an dem mit den Arbeitgebern geschlossenen Ausbildungspakt fest. Der wurde bereits im Jahr 2004 ins Leben gerufen und setzt lediglich auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen. Die Zahlen aber belegen: Von 2004 bis 2010 sollten 90 000 neue Ausbildungsstellen eingerichtet werden. In Wirklichkeit sind sie in diesem Zeitraum jedoch um 40 000 zurückgegangen. Das heißt, ein Großteil der Jugendlichen geht bei der Ausbildungsplatzsuche leer aus. Besonders für junge Menschen, die schon länger suchen, sind die Chancen auf eine Ausbildung gering.

DIE LINKE fordert deshalb gemeinsam mit den Gewerkschaften eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage. Statt wirkungsloser Versprechen müssen endlich verbindlich Ausbildungsplätze geschaffen werden. Alle Betriebe, Unternehmen und Verwaltungen sollen in einen Fond einzahlen. Aus diesem Fond werden diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber unterstützt, die ausbilden und neue Lehrstellen schaffen. Unternehmen, die von den Fachkräften profitieren, aber nicht ausbilden, werden dafür zur Kasse gebeten.

Ausbildung braucht Qualität

Wir brauchen nicht nur mehr Ausbildungsplätze, sondern auch mehr Qualität in der Ausbildung. Viele Auszubildende müssen ausbildungsfremde Tätigkeiten leisten und die fachliche Anleitung wird häufig nicht gewährleistet. Oft werden die Inhalte aus dem Ausbildungsrahmenplan schlichtweg nicht eingehalten. Unbezahlte Überstunden und die Bezahlung der Ausbildungsmittel durch die Auszubildenden sind an der Tagesordnung. Ausbildungsvergütungen reichen selten, um sich ein selbständiges Leben aufzubauen. Junge Frauen sind hiervon besonders betroffen. Zahlreiche dreijährige Ausbildungen wurden in Kurzausbildungen umgewandelt, damit die Jugendlichen dem Arbeitsmarkt schneller zur Verfügung stehen. Die Folge: Viele Jugendlichen landen später in schlecht bezahlten Jobs und haben geringe Aufstiegschancen im Beruf. Schmalspurausbildungen sind Ausbildungen für den Niedriglohnsektor und gehören abgeschafft. Sie bieten den Jugendlichen keine nachhaltige Berufsperspektive und werden von der Fraktion DIE LINKE abgelehnt. Nur eine qualitativ gute Ausbildung, die die Jugendlichen umfassend auf den Beruf vorbereitet und auch fair vergütet wird, macht fit für die Zukunft!

Nicht ausbildungsreif?

Immer wieder behaupten Bundesregierung und Unternehmensverbände, dass viele Ausbildungssuchende nicht ausbildungsreif seien. Der Begriff der »fehlenden Ausbildungsreife« wird von Arbeitgeberseite verwendet, um von der eigenen Verantwortung für Ausbildung abzulenken. Die Schuld an der Ausbildungsmisere darf nicht den Jugendlichen in die Schuhe gescho-ben werden. Hunderttausende Jugendliche bemühen sich jährlich um einen Ausbildungsplatz. Den 1,5 Millionen jungen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne Berufsabschluss werden durch so eine Stigmatisierung jegliche Fähigkeiten abgesprochen. Die Unternehmen müssen endlich ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, Ausbildungsplätze für alle schaffen und diejenigen individuell unterstützen, die Hilfe benötigen. Das bringt viel mehr als ineffiziente Vorbereitungskurse und Praktika vor einer Ausbildung. Akuter Nachholebedarf besteht somit bei der aktuellen Ausbildungspolitik und nicht bei den Ausbildungssuchenden!

Schutzrechte sind kein Ausbildungshemmnis!

Die Wirtschaftsverbände nutzen die Ausbildungsmisere, um neue Angriffe auf den Jugendarbeitsschutz oder die Ausbildungsvergütungen zu fahren. Der Abbau der Rechte von Auszubildenden wie auch die Absenkung der Vergütungen soll angeblich mehr Ausbildungsplätze schaffen. Die Regierung möchte beispielsweise die Regelungen zur Nachtarbeit im Jugendar-beitsschutzgesetz für den Hotel- und Gaststättenbereich aufweichen. DIE LINKE fordert eine Ausweitung des Jugendarbeitsschutzes und stellt sich dabei klar hinter die Jugendlichen. Auszubildende sind keine billigen Arbeitskräfte. Die Ausbildung ist zum Lernen da. Dafür brauchen wir gute Arbeitsbedingungen, eine gute fachliche Betreuung und Unterstützung sowie einen starken Arbeitsschutz. DIE LINKE kämpft dagegen, dass die Ausbildungsverweigerung der Unternehmen und die Handlungsunfähigkeit der Politik auf dem Rücken der jungen Menschen ausgetragen werden.