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Frieden wäre wichtig

erschienen in Klar, Ausgabe 46,

Die deutsch-russischen Beziehungen sind gestört, seitdem die Bundesregierung im Jahr 2012 die Modernisierungspartnerschaft mit Russland einseitig aufgekündigt hat. Die deutsche Kritik: Moskau bewege sich nicht Richtung liberaler Demokratie, verletze Menschenrechte und das Völkerrecht.

Der Blick in den eigenen Spiegel hilft. Westliche Regime-Change-Politik und die NATO-Osterweiterung sind die eigentlichen Ursachen des Konflikts. Deutschland hätte, nachdem Russland alles getan hatte, um die deutsche Wiedervereinigung zu unterstützen, die NATO-Osterweiterung abfedern müssen. Der NATO-Russland-Rat hätte, auf deutsches Betreiben hin, Russland in die Sicherheitsarchitektur Europas gleichberechtigt einbinden sollen. Dadurch wäre Moskaus Wunsch nach Mitsprache in europäischen Sicherheitsfragen stärker berücksichtigt worden, dann wäre die europäische Ordnung nicht in diese Schieflage gekommen.

So aber kam es im Jahr 2014 in der Ukraine-Krise fast zu einem Krieg zwischen Russland und dem Westen. Dabei hätte Deutschlands Diplomatie in der Ukraine-Krise mehr Weitsicht zeigen müssen. Sie hätte dieses Land zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion nicht vor die Qual der Wahl »entweder Brüssel oder Moskau« stellen dürfen.

Seitdem erhebt die Bundesregierung in Europa immer als erste die Stimme, wenn es um Sanktionen gegen Russland geht. Der Riss zwischen Berlin und Moskau ist groß. Die historische Zusammenarbeit dieser beiden Staaten war stets Garant für Aussöhnung und Stabilität auf dem europäischen Kontinent.

Im Westen herrschen zwei Konzepte für Europa vor. Die USA, unterstützt von etlichen mittelosteuropäischen NATO-Staaten, wollen ein transatlantisches Europa von Vancouver bis Donezk, also ohne Russland. Deutschland setzt dagegen auf ein künftiges Europa von Lissabon bis Wladiwostok. Jede Bundesregierung muss sich mit dieser Frage auseinandersetzen und verstehen: Die kommende Welt birgt unendliche Herausforderungen: Massenmigration, Überbevölkerung, Mangel an Ressourcen, Klimaveränderung, um nur einige zu nennen. Wenn Deutschland über seinen Tellerrand hinausblickt und versteht, dass Russland keine schwächelnde Regionalmacht, sondern ein selbstverständlicher Teil Europas ist und strategischer Partner für die Herausforderungen von morgen sein kann, werden sich nicht nur die bilateralen Beziehungen verbessern, sondern Europa wird auch Frieden gewinnen. Im umgekehrten Fall droht Europa wieder in NATO-Aufrüstung und geopolitischer Konfrontation zu versinken.

Alexander Rahr, Osteuropa-Historiker, Politologe und Publizist