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Frauen zur Hälfte in alle Etagen der Macht

erschienen in Querblick, Ausgabe 9,



Wie verfolgen Sie als Ökonomin diese Finanzkrise? Inwieweit ist die Welt bereits aus den Fugen geraten?Es geht zum einen um zentrale Fragen des Neoliberalismus, zum andern aber auch um eine Akkumulationskrise des westlichen Kapitalismus. Für mich ist im Übrigen überhaupt nicht entschieden, ob das neoliberale Konzept des Staates vorbei ist, oder ob es vielleicht auch zu einer neuen Form von Staatskapitalismus kommt. Einer der Chefideologen des Neoliberalismus in der Schweiz verwandte sein eigenes Bild  für die bisherige Situation: Der Staat soll dafür sorgen, dass das Fußballfeld bereit ist für die Austragung der Fußballspiele der Wirtschaft. Wir sind zum Pfeifen und Klatschen verdammt. Wenn der Staat von Banken solche Geldanlagen, Kredite und Schulden übernimmt, dann müssen die Löhne des Managements gesenkt werden. Ich halte das für eine richtige Forderung. Es ist allerdings die harmloseste. Ich halte diese Geldgierdebatte für konservativen Mist. Aber völlig klar, die sollen nicht noch Milliarden verdienen, wenn der Staat eingreifen und Verluste übernehmen muss. Sie sollen überhaupt nicht so viel verdienen. Wozu auch. 

Welchen Vorschlag machen Sie also diesbezüglich?

Der Staat muss das Recht haben, die Aufsicht über die Banken zu verschärfen, und er muss möglich viele Verluste nach und nach auf die Banken abwälzen, durch Aktienbesitz oder andere Maßnahmen Es geht nicht um Geldgier, sondern es geht um Macht und Kontrolle. Wogegen sich die Banken wehren,  ist die öffentliche Kontrolle, Regulierung  und die Transparenz. Es gibt nichts, was Neoliberale mehr scheuen, als das. Die Linke sollte zudem ein Wirtschaftsprogramm entwickeln, das die Menschen weniger von Einkommen aus Gewinnen respektive vom Couponschneiden, wie es Marx sagen würde, abhängig macht. Altersrenten sollten beispielsweise nicht mit Kapitalfonds finanziert werden, sondern durch Steuern oder direkte Umlageverfahren. Die riesigen zu verzinsenden Vermögen von Pensionsfonds sind Teil des heutigen Problems.

Denken Sie, dass die Analyse und die Schwerpunkte bei dieser Analyse von Frauen anders vorgenommen werden als von Männern?

Ich denke, dass gewisse Fragen einfach ausgeblendet werden, auch in der linken Diskussion. Schon Mitte der achtziger Jahre haben linke Feministinnen von drei Krisen gesprochen: von der Akkumulationskrise des Kapitals, der Ökokrise und der Krise dessen, was sie damals reproduktive Ökonomie nannten – heute würde ich dies eher die Krise der Care-Ökonomie nennen. Die wirklich entscheidenden Krisenproduzenten sind praktisch alles Männer. Frauen gehören  mindestens zur Hälfte in alle Etagen der Macht. Frauen sind immer dafür zuständig, irgendwie die Krisen abzuwenden, im privaten wie auch im öffentlichen Bereich. Sie arbeiten, sind erwerbstätig vor allem in den sozialen Bereichen. Es wird gespart im Gesundheitswesen, bei den Löhnen, bei den Haushaltseinkommen, also Stichwort Hartz IV zum Beispiel und so weiter. Also es wird dann immer dort gespart, wo eigentlich wesentliche Bedingungen der Zukunft des guten Lebens produziert werden. 

Sodass also Frauen dann dadurch besonders betroffen sind …

Der Staat spielt sozusagen jetzt gegenüber dem Bankensektor die konservative Mutter und Ehefrau, die immer dafür sorgt, dass es auch in Krisen-fällen noch klappt – um dieses Bild zu bedienen – und die Welt in Ordnung bleibt. Der Staat ist sozusagen dafür da, um das wieder ein bisschen gutzumachen, was übermütige Söhnchen oder Männer angerichtet haben. Und dann ist er noch für die Überwachung, Bestrafung und Kriege da, die alte und älteste Patriarchenfunktion des kapitalistischen Staates. Die öffentliche Kontrolle darüber, wie der Staat  mit der Krise umgeht, halte ich deshalb für eine zentrale Frage – auch aus feministischer Sicht.
Interview: Frank Schwarz