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Fraktion profitiert vom Frauenplenum

erschienen in Querblick, Ausgabe 12,

Die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu. Einer der Slogans der Linken im Bundestag heißt »DIE LINKE wirkt«. Wie erfolgreich haben die Frauen der Linksfraktion bei für sie wichtigen Themen wirken können?
Angesichts der ja noch (!) begrenzten Anzahl LINKER Abgeordneter im Bundestag ist ihre nachweisliche frauenpolitische Wahrnehmbarkeit schon beachtlich. Bei Themen wie Frauenhausfinanzierung, Entgeltgleichheit, Gleichstellung in der Privatwirtschaft, weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution und so weiter kam niemand an unseren Vorschlägen vorbei. Armut von Frauen und die selbstbestimmte Rolle von Frauen in ihren Familien hat nur die LINKE thematisiert. Sie war es auch, die das Selbstbestimmungsrecht von Frauen in der Diskussion um die Verschärfung der gesetzlichen Regeln bei medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüchen verteidigt hat. Und schließlich waren wir die einzigen, die immer wieder auf die schwieriger werdenden Lebensbedingungen für Frauen in den Dörfern und kleinen Städten als Problem hingewiesen haben. Ohne DIE LINKE wären die Selbstbestimmungsrechte und die Gleichstellung von Frauen noch mehr unter die Räder gekommen.

Das Frauenplenum ist eine separate, von Frauen autark geführte und von Männern gemiedene politische Runde innerhalb der Fraktion DIE LINKE. Wie zufrieden sind die Frauen mit Vorschlägen und Diskussionsergebnissen ihres Plenums nach knapp vier Jahren?
Wieso von Männern gemieden? Die weiblichen Abgeordneten haben ihr in der Bundessatzung der Partei verankertes Recht wahrgenommen. Frauenplena sind ein Instrument zur Sicherung der Interessen von Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft, die auch in DIE LINKE hineinwirkt. Ziel ist eigentlich ihre Überwindung durch wirkliche Gleichstellung der Geschlechter. Interessant ist, dass wir nicht einmal ernsthaft mit einem Veto gegen Fraktionsbeschlüsse drohen mussten. Offensichtlich wirkt die Existenz des Instruments schon disziplinierend. Aber wir haben auch unser Initiativrecht intensiv genutzt und Anträge aus dem Frauenplenum heraus erarbeitet. So ist zum Beispiel der Gruppenantrag zur Schwangerschaftsabbruchdebatte entstanden. Eines ist nach 4 Jahren Erfahrungen sehr deutlich: Die gesamte Fraktion profitiert von der Existenz des Frauenplenums.
Welcher Gesetzvorschlag trägt in besonderer Weise die stolze Handschrift von Frauen der Linksfraktion?
Da würde ich zu allererst zwei Anträge nennen, die durchaus eine längere Diskussionsphase in der Fraktion überstehen mussten, weil die Forderungen sehr konsequent waren und damit weit über die warmen Worte der anderen Fraktionen hinausgingen und einen klaren, aber auch machbaren Weg zur Lösung benannten: Entgeltgleichheit und Gleichstellung in der Privatwirtschaft. Ich bin davon überzeugt, dass diese beiden Anträge frauenpolitisch Maßstäbe in der gesellschaftlichen Debatte gesetzt haben, die noch einige Zeit Bestand haben werden.

Welches war das schönste Erlebnis als frauenpolitische Sprecherin in der Legislatur?
Das ist schwierig zu beantworten, denn es gab eine ganze Reihe solcher Erlebnisse. Aber vielleicht war am allerschönsten, dass es DIE LINKE mit ihrem Antrag zur Frauenhausfinanzierung geschafft hat, eine Anhörung im Bundestag zu erzwingen, die sich nach 30 Jahren Frauenhausbewegung das erste Mal mit der defizitären Finanzierung und den eingeschränkten Zugängen zu Frauenhäusern und Schutzwohnungen beschäftigt hat. Die vielen sehr engagiert vor Ort arbeitenden Frauen kamen endlich einmal zu Wort und konnten ihre Sorgen und Probleme dort vorbringen, wo sie nach unserer Auffassung auch gelöst werden müssen. Im Ergebnis fühlten sich die Koalitionsfraktionen verpflichtet, wenigstens einen gutgemeinten, wenn auch nicht konsequenten eigenen Antrag vorzulegen. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht das Ende des Weges.

Welches möchtest du am liebsten schnell vergessen?
Eindeutig die Debatte zum Schwangerschaftskonfliktgesetz. Es war so unendlich ernüchternd, dass selbst die Frauen aus den Fraktionen der SPD und der Grünen kaum mehr ernsthaft Widerstand geleistet haben gegen eine fürsorgende Scheinheiligkeit, die doch eigentlich nur die Entscheidungsfähigkeit und das Recht auf Selbstbestimmung von Frauen in Frage stellt. Es ist schon fast tragisch, dass es ausgerechnet die LINKE war, die den Kompromiss von 1995 zu den medizinisch begründeten Schwangerschaftsabbrüchen verteidigt hat gegen die Angriffe aus den Reihen der Lebensschützer. Denn wir wollen ja die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Aber am Ende der parlamentarischen Debatte war wenigstens eines klar: Der Gruppenantrag aus den Reihen der LINKEN stand konsequent auf der Seite der Frauen, ihrer Familien sowie ihrer Ärztinnen und Ärzte. Das hat uns große Anerkennung – insbesondere bei den Beratungsorganisationen – gebracht.

Welche Rolle werden Frauen in unserer Gesellschaft in 10 Jahren spielen?
Das kommt darauf an. Wenn die gesellschaftliche Rückwärtsrolle fortgesetzt wird, die wir aktuell beobachten, stehen wir dann mehrheitlich wieder am Herd und werden als Rabenmütter gesehen, wenn wir trotz Kindern arbeiten gehen wollen. Verhindert werden kann das, wenn in der aktuellen Gesellschaftskrise eine ernsthafte, analytische Debatte erzwungen wird, weil gerade sie ein Zeichen für Versagen des Patriarchats ist und sie darum nur geschlechtergerecht überwundern werden kann. Allerdings erfordert das eben auch eine LINKE, für die Gleichstellungsfragen und Geschlechtergerechtigkeit keine Nebenwidersprüche sind, sondern ins Zentrum des politischen Selbstverständnisses gehören.

Wann wird eine Frau Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag?
Wenn DIE LINKE dieses politische Selbstverständnis zu leben beginnt.
Interview Frank Schwarz