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Es reicht für alle …

erschienen in Clara, Ausgabe 46,

Es waren sieben alleinerziehende Mütter, die unter dem Hashtag #gegenKinderarmut zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen hatten, getrieben von der Wut über die unwürdigen Verhältnisse, in denen viele Alleinerziehende mit ihren Kindern leben müssen. Im Organisationsteam waren Aktivistinnen, Bloggerinnen und einfach Mütter, die etwas ändern wollen. Ich bin eine davon. Seit 2014 blogge ich auch für Alleinerziehende. Unmittelbar vor dem Muttertag, am 12. Mai 2018, gingen wir mit vielen solidarischen Familien gegen Kinderarmut auf die Straße. Es war der erste bundesweite Protest gegen Kinderarmut. Als Redner und Unterstützer konnten wir Dietmar Bartsch von DIE LINKE. im Bundestag gewinnen, auch Annalena Baerbock von den Grünen sprach. Kinderarmut trifft nicht nur die Gruppe der Alleinerziehenden (fast zwei Millionen). Doch sie tragen ein höheres Armutsrisiko. 68 Prozent von ihnen sind armutsgefährdet, etwa 90 Prozent davon sind Frauen. Um ein Kind zu ernähren, braucht man 1,5 Einkommen, heißt es. Am Arbeitsmarkt sind Alleinerziehende aber trotz Qualifikation und Kompetenzen nicht gefragt. Elternarmut ist Kinderarmut. Aus Bedarfsgemeinschaften werden heimlich, schnell und leise Schicksalsgemeinschaften. Unsere Aktion soll zeigen, dass wir nicht mehr gewillt sind, diese Ungerechtigkeit zu akzeptieren. Jedes Kind ist gleich viel wert. Wir brauchen eine Neugestaltung der Familienpolitik. Weg von der Bevorzugung eines bestimmten Modells, das nicht mehr der Lebenswirklichkeit vieler Kinder entspricht.

Was ich bei der Aktion #gegenKinderarmut gelernt habe, ist, wie tief Ungleichheit als missverstandene Anreizorientierung in diesem Land verwurzelt ist. Kinder haben ein Recht auf Existenzsicherung, Bildung, Fürsorge und Gesundheit: unabhängig von ihren Eltern! Das ist kein Privileg oder eine Leistung. Gegen Kinderarmut müssen endlich wirksame Maßnahmen her. Und natürlich gehört dazu auch Geld. Warum löst das Wort Kindergrundsicherung im Jahr 2018 immer noch regierungspolitische Schnappatmung aus? Stattdessen gibt es Baukindergeld und 25 Euro mehr Kindergeld. Maßnahmen, die dort nicht ankommen, wo sie dringend gebraucht werden. Besserverdiener haben auch in dieser Legislaturperiode am meisten von ihren Kindern. Daran ändert auch der Kinderzuschlag nichts. »Das ist doch, was keiner will«, kommentierte mein Kind diese familienpolitische Luftnummer. »Wer arm ist, soll halt keine Kinder bekommen«, hörten wir als Kommentar bei Facebook. Abgesehen von der Idiotie dieser Forderung: Kinder sind längst da.

Im Koalitionsvertrag wird Kinderarmut weiter betroffen abgenickt und zementiert. Einen Vorgeschmack gab es schon: Kostenloses Mittagessen wurde wieder von der Tagesordnung der Bundesratssitzung genommen. Die Stimmung im bunten Demozug war keine explosive, sondern eine friedlich fröhliche. Mit vielen Kindern bewegten wir uns über die Prachtstraße Unter den Linden bis hin zum Brandenburger Tor. Der Tag machte Hoffnung. Denn Einelternfamilien sind kein defizitäres Familienmodell. Sie können Maßstab sein. Was wir am Ende fordern, hilft allen Familien. Kindergrundsicherung? Für alle? Ja! Wir müssen uns von der neoliberalen Idee verabschieden, dass Einkommensschwache auch sozial schwach sind. Es ist falsch, Armut und Ausgrenzung von Kindern zuzulassen in einem reichen Land. Mein Lieblings-Hashtag bei unserer Aktion: #dieschwarzeNullistirgendwann18.

Susanne Triepel

Susanne Triepel gehört zu den Initiatorinnen der Demonstration