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Ernüchternde Realität

erschienen in Querblick, Ausgabe 11,

Immer mehr Frauen sind erwerbstätig, aber es nutzt ihnen nicht viel. »Minijobs, Teilzeit, befristete Anstellungen, die gesamte Palette der prekären Beschäftigung kommt primär der Wirtschaft zugute und geht auf Kosten der Frauen«, so das bittere Resümee der Volkswirtschaftsprofessorin Frederike Maier.

Immer wieder muss ich bei solchen Zitaten an Begegnungen mit den Frauen aus verschiedenen Supermärkten denken, die über ihren Alltag berichten.

Argwöhnisch um sich blickend, ob denn nicht gerade jemand von der Betriebsleitung in der Nähe ist, wird von schlechter Bezahlung und unwürdigen Arbeitsbedingungen erzählt. Volle Arbeitswoche, halber Lohn.
Deutschland ist bei den Einkommen von Frauen Schlusslicht in Europa. In keinem westeuropäischen Industriestaat klafft eine größere Lücke zwischen den Einkommen von weiblichen und männlichen Beschäftigten. Frauen verdienen durchschnittlich 24  Prozent weniger als Männer. So verdient beispielsweise laut Studie der Hans-Böckler-Stiftung bei den Bankkaufleuten eine Frau rund 716 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Diese geschlechtsbedingte Diskriminierung findet in fast allen Berufen statt. Die Bezahlung fällt auch dann unterschiedlich hoch aus, wenn Ausbildung, Arbeitszeit und Dauer der Firmenangehörigkeit gleich sind. Typisch »weiblich« ist in Deutschland nicht nur die geringere Bezahlung von Frauen. 70  Prozent der Niedriglöhner sind Frauen, das sind über 4,5 Millionen. Jede dritte Frau arbeitet in Teilzeit. Bei den Männern hingegen sind es nur 5,3  Prozent. Der überwiegende Teil der Minijobber sind Frauen. Damit ist für viele Frauen eine eigenständige Existenzsicherung nicht möglich.

Zu den statistischen Fakten kommen die sozialen Sorgen und psychische Belastungen. Wer prekäre Beschäftigung ausführt, ist mehrfach bestraft. Das trifft beide Geschlechter. Es ist dabei egal, wie sich das Einkommen zusammensetzt. Zu niedrig, um in Würde leben zu können, ist es in jedem Fall von prekärer Beschäftigung. Zum kärglichen Lohn zusätzlich noch zum Arbeitsamt gehen zu müssen, ist entwürdigend. Um nicht an jedem Frauentag erneut die ungerechte Behandlung der Frauen in der Arbeitswelt feststellen und beklagen zu müssen, brauchen wir in Deutschland endlich gesetzliche Rahmenbedingungen, die Frauen und Männern die gleichen Chancen und Bedingungen garantieren. Unter anderem brauchen wir einen neuen Einkommensbericht der Bundesregierung, der aufzeigt, was Frauen und Männer in Deutschland verdienen. Längst überfällig ist ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Es müssen Arbeits- und Leistungsbewertungen entwickelt werden, die Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts abbauen bzw. verhindern. Wir brauchen Entgeltsysteme, die gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit garantieren.
Sabine Zimmermann, MdB, Mittelstandspolitische Sprecherin der Linksfraktion