Editorial von Gregor Gysi
Liebe Leserin, lieber Leser,
momentan herrscht Ruhe, trügerische Ruhe, wenn es um Europa geht. Aber die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Flurschäden, die die noch lange nicht überwundene Bankenkrise und in deren Folge die Staatsschuldenkrise hinterlassen, sind gravierend. Ein Viertel der Menschen in Griechenland und Spanien wurde arbeitslos, über die Hälfte der jungen Menschen sind ohne Jobs und Perspektiven. Für viele von ihnen ist die Europäische Union (EU) keine positive Utopie mehr, sondern eine Bedrohung. Diese Enttäuschung vieler Menschen machen sich Rechtspopulisten zunutze. Sie wollen zurück zu den alten Nationalstaaten.
Aber Frau Merkel setzt weiter unbeirrt auf eine EU des ungezügelten Wettbewerbs. Wettbewerb heißt, dass alle Länder ihre Löhne, Renten und Sozialstandards noch weiter absenken, um ihre Ausfuhren zu erhöhen. Das beträfe letztlich auch uns. Aber ein solcher Wettbewerb zerstört den sozialen Zusammenhalt, führt letztlich zur Erosion der EU.
Einzig DIE LINKE ist für eine vertiefte und erweiterte EU. Aber es bedarf einer Stärkung des sozialen Zusammenhalts durch einheitliche soziale und ökologische Standards, einer Angleichung der Steuersysteme, der Perspektive einer politischen Union. Einer Union, die die demokratische Teilhabe der Menschen stärkt und Beiträge zum Frieden leistet, statt sich an Kriegen zu beteiligen. Nur ein solches Europa wünscht sich die Mehrheit der europäischen Bevölkerung.
Mit solidarischen Grüßen
Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE