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Einsatzziel: weltweit Krieg führen

erschienen in Clara, Ausgabe 36,

Die Bundesregierung erhöht den Militäretat, um aus der Bundeswehr eine Truppe im globalen Dauereinsatz zu machen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg standen sich in Deutschland 40 Jahre lang zwei schwer bewaffnete Machtblöcke gegenüber. Bundeswehr und Nationale Volksarmee (NVA) waren Teil dieser Konfrontation. Aufrüstung begründete man – im Westen wie im Osten – mit der Bedrohung durch die jeweils andere Seite. Doch als im Jahr 1989 mit dem Zusammenbruch des Ostblocks der Kalte Krieg endete und die NVA aufgelöst wurde, rüstete die Bundeswehr nicht dauerhaft ab. Stattdessen schickten diverse Bundesregierungen deutsche Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätze.

Im Jahr 1992 beteiligte sich die Marine an einem Aufklärungseinsatz in der Adria, ein Jahr später wurde das Heer zum Brunnenbohren nach Somalia entsandt. Kurz darauf, im Jahre 1999, wirkte die Bundeswehr bereits an der Bombardierung Jugoslawiens mit. Und im Jahr 2002, als deutsche Kampftruppen schon auf afghanischem Boden kämpften, behauptete der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), Deutschland werde auch am Hindukusch verteidigt.

Tatsächlich verfolgen seit einem Vierteljahrhundert alle Bundesregierungen das Ziel, aus der einst defensiven Truppe eine Streitmacht im globalen Dauereinsatz zu machen. Die aktuelle Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begründete dieses Ziel jüngst so: „Unsere Interessen haben keine unverrückbaren Grenzen, weder geografisch noch qualitativ.“
Diesem Zweck dienten auch die verschiedenen Bundeswehrreformen der vergangenen Jahre: Die Armee wurde verkleinert, aber die Zahl der gleichzeitig einsatzfähigen Truppenteile von 7.500 auf 10.000 Soldaten erhöht. Offensive Kampfeinheiten wie die Division Schnelle Kräfte (DSK) und das Kommando Spezialkräfte (KSK) wurden gestärkt. Panzerverbände, die die Bundeswehr für den Landkrieg gegen die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Pakts vorgehalten hatte, wurden verkleinert oder komplett aufgelöst. Das Berufssoldatentum trat an die Stelle der allgemeinen Wehrpflicht.

Seit der Ukraine-Krise stehen sich Russland und der Militärpakt NATO, dem Deutschland angehört, wieder feindlich gegenüber. Von der Leyen nutzt jede Gelegenheit, um die Bundeswehr in Stellung zu bringen: Erst übernahm die deutsche Marine das Kommando über einen Flottenverband in der Ostsee, dann verstärkte die Luftwaffe ihre Beteiligung an Überwachungsflügen über dem Baltikum. Schließlich übernahm Deutschland die Führung beim Aufbau einer ultraschnellen Eingreiftruppe der NATO.

Bevölkerung lehnt Aufrüstung ab

Jüngst erhöhte die Bundesregierung den Militäretat: Bis zum Jahr 2019 sollen die Streitkräfte acht Milliarden Euro mehr als geplant erhalten. Das Geld soll in Hightech-Projekte fließen, die dem globalen Einsatz dienen: Einige hundert Millionen Euro sind für deutsch-französische Spionagesatelliten und den Nachfolger der Euro-Hawk-Drohne bestimmt. Von der Leyen will zudem bis zum Jahr 2025 eine eigene Kampfdrohne entwickeln, die vermutlich mehrere Milliarden Euro kosten wird. Außerdem wurde im aktuellen Haushaltsjahr ein zusätzlicher dreistelliger Millionenbetrag bewilligt, um die Bundeswehr mit weiteren Panzern auszurüsten, die im Konfliktfall gegen Russland eingesetzt werden können.

Doch diese Militärpolitik ist in Deutschland nach wie vor sehr unpopulär. Anders als die Mehrheit im Bundestag lehnt eine stabile Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland Auslandseinsätze und die Aufrüstung der Bundeswehr, beispielsweise mit Drohnen, ab. Diese Ablehnung spiegelt sich auch in den Problemen der Bundeswehr, neue Soldatinnen und Soldaten zu rekrutieren. In vielen Einheiten fehlt es an Personal. Von der Leyen hat vor diesem Hintergrund die Mittel für Werbung im letzten Jahr auf 30 Millionen erhöht. Jugendoffiziere der Bundeswehr haben im vergangenen Jahr in Schulen rund 185.000 Schülerinnen und Schüler angesprochen, um sie für den Dienst an der Waffe zu ködern. Von der Leyen stößt mit ihren Zielen auch an andere Grenzen: Viele der Rüstungsprojekte verzögern sich um Jahre, sind viel teurer als geplant und weisen eklatante technische Mängel auf. Die Liste der Skandale ist lang und reicht vom Kampfjet Eurofighter bis zum Sturmgewehr G36.

Eine der Ursachen für diese Steuerverschwendung ist die enge Verflechtung zwischen Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie. Immer wieder heuern ehemalige Minister und Staatssekretäre bei den Waffenschmieden an. Lobbyisten der Konzerne gehen in den Ministerien ein und aus. Kein Wunder, dass viele der von der Bundeswehr geschlossenen Abmachungen zugunsten der Konzerne ausfallen. Trotz Milliardenverlusten durch technische Mängel und Verzögerungen sehen die Verträge bei keinem der vielen Pannenprojekte Kompensationszahlungen der Industrie vor.

Zwar sind die Eliten aus Politik, Militär und Industrie ihrem Ziel nähergekommen, die Bundeswehr zu einer Armee im globalen Dauereinsatz zu formen. Auf breite Unterstützung aus der Bevölkerung können sie dabei jedoch nicht zählen.