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Ein Wachhund für die Lobbyisten

erschienen in Clara, Ausgabe 9,

Heidi Klein, Vorstandsmitglied von LobbyControl,

stellt Beweggründe und Ziele des jungen Vereins vor.

Vor dem Finanzministerium räkeln sich Lobbyisten in der Sonne und genießen Cocktails. »Sommerpause -und dann nach Hause« fordert ein Transparent im Hintergrund. Die Lobbyisten sind natürlich nicht echt. Es sind Aktivisten von LobbyControl, die gegen die Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien protestieren. LobbyControl ist ein gemeinnütziger Verein, der über Macht- und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklärt, Missstände aufdeckt und sich für ethische Grenzen von Lobbying einsetzt. Im Englischen gibt es einen passenden Ausdruck für solche Organisationen: watchdog - Wachhund. Tatsächlich verbindet unsere Arbeit viel mit den Aufgaben eines Wachhundes: Wir stecken unsere Nase in Dinge, die gerne unsichtbar bleiben wollen.

Wir tragen Missstände an die Öffentlichkeit und organisieren Protest - wenn nötig auch mit ein wenig Gebell. Unsere unabhängige Finanzierung sichern Spenden, Fördermitglieder und Zuwendungen von Stiftungen, nachzulesen auf unserer Internetseite.
Obwohl in den USA und anderen europäischen Ländern schon lange üblich, fehlte in Deutschland ein »watchdog«, der ein Auge auf Lobbyisten hatte. Um diese Lücke zu schließen, fand sich 2005 der heutige Vorstand von Lobby-Control zusammen. Als langjährig in Wissenschaft und sozialen Bewegungen Engagierte teilten wir eine Analyse: Lobbyorganisationen, Unternehmen und sogenannte »Denkfabriken« versuchen immer stärker, Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit zu nehmen. Einzelne, zumeist ohnehin starke Lobbygruppen (Interessenvertreter) erhalten privilegierte Zugänge zu den politischen Entscheidungsarenen. Der Raum für eine kritische Öffentlichkeit wird hingegen immer kleiner.

Seitdem hat sich LobbyControl einen Namen gemacht. Unsere Studie zur Gästeliste von »Sabine Christiansen« zeigte die einseitige Zusammensetzung zugunsten von Unternehmen und wirtschaftsliberalen Stimmen. Wir untersuchten, wo die rot-grünen Mitglieder des letzten Schröder-Kabinetts heute arbeiten, und fordern Regeln, die fliegende Wechsel von Politikern in Lobbyjobs verhindern. Unter dem Stichwort »Greenwashing« machten wir darauf aufmerksam, dass längst nicht immer überall Klimaschutz drin ist, wo Klimaschutz draufsteht. In Brüssel und Berlin streiten wir für verpflichtende und aussagekräftige Lobbyistenregister. Und nicht zuletzt ehren wir in diesem Jahr zum vierten Mal gemeinsam mit unseren europäischen Partnern das dreisteste Lobbying in Brüssel mit den »Worst EU Lobby Awards«.

Manche demokratieschädlichen Lobbypraktiken lassen sich durch Regelungen einschränken. Eine Karenzzeit gegen fliegende Wechsel, ein Lobbyistenregister, verschärfte Regulierung und Transparenz über Nebentätigkeiten von Ab-geordneten, ein Ende der Mitarbeit von Lobbyisten in den Ministerien - hier sind Parlament und Regierung gefragt. Allerdings sind Parlamentarier/innen und Regierungsmitglieder vielfach auch Nutznießer - etwa von Nebenjobs oder von lukrativen Lobbytätigkeiten im Anschluss an die Politik-Karriere. Verschiedene Anträge der Oppositionsparteien dazu warten in den Ausschüssen auf Behandlung - dass sie auf Mehrheiten im Parlament stoßen werden, ist jedoch zurzeit unwahrscheinlich. Eine kritische Zivilgesellschaft ist deshalb unabdingbar, um Druck für eine bessere Regulierung des Lobbyismus zu machen. Sie muss sich aber auch den weitergehenden Problemen stellen. Denn Machtungleichgewichte, irreführende Werbung oder einseitige Lobbykampagnen, die der Öffentlichkeit den Kopf verdrehen sollen, lassen sich nicht einfach wegregulieren. LobbyControl ist ein Teil dieser Zivilgesellschaft, informiert, sensibilisiert und stärkt sie.