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Ein Kraftwerk für die Bürger

erschienen in Clara, Ausgabe 20,

Wirtschaftssenator Harald Wolf (DIE LINKE) strebt ein Bürger-Stadtwerk für Berlin an. Ein Gespräch über Vorteile und Wege der Rekommunalisierung.

Das Wort Rekommunalisierung ist derzeit in aller Munde – vor allem dann, wenn es um die Wasser-, Energie- oder Abfallentsorgung geht. Was bedeutet das eigentlich?

Harald Wolf: Rekommunalisieren bedeutet, Eigentumsanteile an ehemaligen kommunalen Betrieben, die privatisiert wurden, wieder zurückzukaufen. Zudem, öffentliche Unternehmen in ganz zentralen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge neu zu gründen.

Was haben die Menschen davon, wenn zum Beispiel Energieversorger in öffentlicher Hand sind?

Kommunale Energieversorger sind Triebkräfte des sozial-ökologischen Umbaus. Anders als private Energieversorger kann ein öffentliches Unternehmen darauf ausgerichtet sein, so wenig?Strom wie nötig an so viele Kunden wie möglich zu liefern. Überschüsse, die bei Privaten als Renditen in die Taschen von einigen wenigen Menschen fließen, können im kommunalen ?Bereich für den Ausbau ökologischer Erzeugungsanlagen zum Wohle aller verbleiben.

Sie sprechen die Überschüsse an: Wohin könnten die fließen?

Überschüsse kommunaler Unternehmen können für Investitionen ebenso eingesetzt werden wie für Preissenkungen. Auch für verbesserte Arbeitsbedingungen und Entlohnung der Beschäftigten stehen sie zur Verfügung. Und darüber hinaus können sich öffentliche Unternehmen dann auch mit solchen Einnahmen sozial in ihrer Region engagieren.

Der Stand jetzt ist allerdings, dass fast alles, was mit Energie und Netzleitungen zu tun hat, privaten Großunternehmen gehört. Da gibt es Verträge, die sind nicht einfach so zu kündigen?

Nein, die sind nicht so einfach zu kündigen. Geltende Verträge haben Laufzeiten, bei alten Konzessionsverträgen sind es in der Regel zwischen 15 bis 20 Jahre. Vorzeitige Vertragsauflösungen können nur einvernehmlich erfolgen. Allerdings laufen in den nächsten Jahren deutschlandweit mehrere tausend Konzessionsverträge für Gas-, Strom-, und Fernwärmenetze aus. Das?ist die Chance für viele Kommunen, neue Vertragspartner zu finden, selbst in das Unternehmen einzusteigen und eine dezentrale Energieversorgung aufzubauen.

Die Mehrheit der Leute sagt Ja zum Energieumbau. Sie befürchten aber gleichzeitig, am Ende bezahlen sie als Verbraucher die Zeche. Können Sie etwas dagegenhalten?

Der Umbau der Energieversorgung kommt mit oder ohne schnellen Atomausstieg und kostet Geld. Die Frage ist, wessen Geld es kostet. Der Hauptkostenfaktor ist aber nicht der Ausbau von Anlagen erneuerbarer Energien, sondern der Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur. Hier muss Politik eingreifen und dafür sorgen, dass jene, die am Unternehmen verdient haben, auch weitgehend die nötigen Investitionen stemmen.

Das Bürger-Stadtwerk für Berlin, das ist eine Zukunftsidee von Ihnen. Wie soll »BerlinEnergie« einmal aussehen?

Ganz genau werden wir das erst am Ende wissen. Unser Ziel ist es, ein kommunales Energieunternehmen auf die Beine zu stellen. Das braucht viele dezentrale Akteure an einem Tisch. Die Berliner Stadtreinigung als europaweit größtes kommunales Unternehmen zählt dazu, die Wasserbetriebe, kommunale Energieanbieter. Neue Energieproduzenten sind ebenfalls vorstellbar. Darüber hinaus sollen sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt beteiligen – die Modelle der Zusammenarbeit können von Bürgerfonds bis hin zu genossenschaftlichen Anteilen reichen. Wichtig ist, dass gerade in energieintensiven Ballungsräumen die Versorgung nicht den Konzernen überlassen wird, denn regionale Wirtschaftskreisläufe lassen sich viel besser durch demokratisch gesteuerte Unternehmen stärken.

Wie nimmt man die Bürger bei solchen Zukunftsprojekten mit?

Die beste Art, Bürger mitzunehmen, ist aufklären. Offen zu sein. Genau zu sagen, wie wird der Weg sein, wohin wollen wir, was kostet es, vor welchen Herausforderungen stehen wir. Und interessierte gesellschaftliche Gruppen in die Prozesse mit einzubeziehen. Frühzeitig.

Mehr zum Thema unter: www.linksfraktion.de/rekommunalisierung