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Ehegesetz ist nur die Spitze des Eisbergs

erschienen in Querblick, Ausgabe 12,

Anfang April hielt sich die suspendierte Abgeordnete und Frauenrechtlerin Malalai Joya anlässlich der Veranstaltungen gegen den NATO-Gipfel auf Einladung der Linksfraktion in Süddeutschland auf. Dabei erfuhr sie von der Unterzeichnung eines drastischen Ehegesetzes durch den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai. Nach diesem Gesetz werden die Frauen der schiitischen Minderheit dazu verpflichtet, die »sexuellen Wünsche« ihrer Ehemänner zu erfüllen. Das kommt einer Legalisierung der Vergewaltigung in der Ehe gleich. Frauen und Studierende gingen daraufhin in Afghanistan auf die Straße. Aufgebrachte Männer bewarfen die protestierenden Frauen mit Steinen. Auch auf internationalen Druck musste Karzai das umstrittene Gesetz für eine Überprüfung vorläufig zurückziehen.

Für Malalai Joya bedeutet dieser Schritt jedoch noch keine Entwarnung. Sie erkennt in dem Eklat um das Ehegesetz eine weitere Erstarkung der fundamentalistischen Kräfte, denen die afghanische Regierung im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen am 20. August Zugeständnisse macht. Dabei sitzen im afghanischen Parlament bereits mehrheitlich Warlords und andere fundamentalistische Kräfte, denen Menschenrechtsorganisationen nicht nur Korruption, sondern auch Kriegsverbrechen vorwerfen.

Am Scheitern der Verbesserung der Situation von Frauen und Mädchen im Land lässt sich auch ein Scheitern der Afghanistan-Strategie der Bundesregierung ablesen. USA und NATO und mit ihnen die Bundesregierung haben 2001 die militärische Intervention in Afghanistan mit dem »Krieg gegen den Terror« und der »Befreiung der Frauen« begründet. Jetzt ist die Lage aufgrund des Zusammenspiels der Folgen von 30 Jahren Krieg, andauernden NATO-Angriffen und politischem Extremismus schlimmer denn je. Hunger und  Vergewaltigungen sind Bestandteil des Lebens vieler Frauen. Noch immer mangelt es ihnen am meisten an Sicherheit, Zugang zu Elektrizität und Wasser. Deswegen setzt sich DIE  LINKE weiterhin für ein Ende des Krieges in Afghanistan ein. Zugleich hat die DIE LINKE einen Schwerpunkt ihrer Afghanistan-Arbeit auf die Unterstützung von Frauen gelegt.

Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel unterstützt seit 2007 Malalai Joya und andere Frauenrechtlerinnen in ihrem Kampf gegen die Unter-drückung von Frauen, für zivile Konfliktlösungen und einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Zivilgesellschaftliche Bewegungen wie der Widerstand der Frauen auf ihrer Demonstration gegen das Ehegesetz werden größer und verdienen mehr Unterstützung und internationale Aufmerksamkeit. Nur so kann verhindert werden, dass die Regierung Karzai und ihre Nachfolgeregierung die in der afghanischen Verfassung verankerte Gleichberechtigung von Frauen und Männern über die Gesetzgebung und in der konkreten Politik weiter aushöhlen.
Birgit Bock-Luna