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Doppelmoral unverändert

erschienen in Querblick, Ausgabe 7,

Interview mit der Sozialwissenschaftlerin Emilja Mitrovic von ver.di Hamburg

Ziel des 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetzes war es unter anderem, Sexarbeit als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen. Auf diesem Weg sollten Prostituierte sozial abgesichert und ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden. Ver.di hat sich hier besonders engagiert und sogar einen Musterarbeitsvertrag für den Bereich sexueller Dienstleistungen erarbeitet. Bislang wurden
aber nur wenige Arbeitsverträge abgeschlossen. Warum?

Weil sich weder gesellschaftlich etwas an der Doppelmoral in der Bevölkerung geändert hat, noch in der Umsetzung des Prostitutionsgesetzes auf Länderebene. Außerdem kann man davon ausgehen, dass es für die Frauen und Männer in diesem Gewerbe häufig sinnvoller ist, als Selbstständige zu arbeiten.

Welche Alternativen zum Abschluss von Arbeitsverträgen sehen Sie, um die soziale Sicherung von SexarbeiterInnen zu verbessern?

Möglichkeiten zu schaffen ähnlich der Künstlersozialkasse, damit Krankenversicherungen und die Sozialversicherungen einfacher abgeschlossen werden können.

Viele Prostituierte und BordellbetreiberInnen beklagen die anhaltende Rechtsunsicherheit, da bislang entscheidende Gesetze der neuen Rechtslage nicht angepasst wurden. Wo sehen Sie dabei den größten Handlungsbedarf?
Im Gewerberecht, es muss die Möglichkeit geben, Sexarbeit als Gewerbe anzumelden. Das ist bislang nur in wenigen Städten – wie in Dortmund – möglich. Darüber hinaus muss es einer selbstständigen Sexarbeiterin möglich sein, in ihrer Wohnung zu arbeiten – wie das auch bei Rechtsanwälten, Schriftstellern und anderen Berufen der Fall ist.

Wie beurteilen sie die Ankündigung von Justizministerin Zypries, Freier von Zwangsprostituierten hart bestrafen zu wollen?

Ich halte das nicht für den richtigen Weg. Man sollte lieber über Freieraufklärung und Präventionsmaßnahmen nachdenken. Telefonnummern, über die Freier melden können, wenn ihnen etwas mit den Sexarbeiterinnen auffällig erscheint, wären sinnvoll. Über StreetworkerInnen lassen sich gut Informationen in die Szene verbreiten, was erlaubt ist und was nicht und an wen man sich wenden kann, wenn Ausbeutung und Zwang ausgeübt werden. Auf jeden Fall muss das Netz der Beratungsstellen ausgebaut werden und es müssen zusätzlich Beratungen und Informationen in verschiedenen Sprachen angeboten werden. Schließlich gehen wir von über 60  Prozent Migrantinnen in der Prostitution aus.