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Die jungen Wilden der Linksfraktion

erschienen in Clara, Ausgabe 4,

Was die U-35 der LINKEN fordern und wie sie es erreichen wollen

In einem Berliner U-Bahnhof hat vor vielen Wochen jemand mit großen Buchstaben an die Wand geschrieben: »Die Alten sind die Hoffnung der Jugend.« Da ist was dran. Allerdings bleibt die Jugend weiterhin verantwortlich dafür, rebellisch zu sein, in die Zukunft zu handeln, Neues zu wagen und den Aufstand zu proben, wenn die Verhältnisse sich nicht schnell und radikal genug ändern.

Sechs Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag nehmen diese Verantwortung gern wahr. Gut unterstützt von den »Alten«. Diana Golze, Jan Korte, Sevim Dagdelen, Nele Hirsch, Michael Leutert und Katja Kipping haben kein Verdienst daran, dass sie jung sind. Ihr Verdienst besteht eher darin, dass sie etwas daraus machen - gute Politik nämlich. Die sechs »jungen Wilden« der Fraktion haben sich schnell, vernehmlich und kompetent zu Wort gemeldet. Jede und jeder mit eigenem Stil und natürlich eigenwillig. Grund genug, sie vorzustellen.

Michael Leutert

Michael Leutert wird im Juni dieses Jahres nach Guantánamo reisen. Er wird mit Gefangenen reden und mit dem Wachpersonal. Er wird sich ein Bild machen von der Missachtung der Menschenrechte an diesem Ort. Das wird keine schöne Reise. Aber eine wichtige. Wer sich für Menschenrechte einsetzt, wie Michael Leutert, reist fast nie schön und bequem und bekommt fast immer das Schlimmste zu hören und Fürchterliches zu sehen. Das muss man aushalten und man muss daran glauben, dass Veränderungen möglich sind. Wenn man hinschaut. »Wer mit der Begründung der Terrorismusbekämpfung Menschenrechte einschränkt, tut Unrecht«, sagt Michael Leutert. Und plädiert dafür, wachsam zu sein. Der 32-Jährige schreibt gegenwärtig eine Dissertation über Jürgen Kuczynski, einen Mann, der viel über Gerechtigkeit nachgedacht, dabei nicht immer richtig gelegen hat, aber stets dafür stand, dass der Mensch sich zu entwickeln und zu verändern vermag. Michael Leutert steht dafür, dass Unrecht nicht bestehen bleiben und schon gar nicht stillschweigend hin-genommen werden darf. Er will Gerechtigkeit. Er ist kein Lauter. Aber ein Beharrlicher. Das ist er.

Diana Golze

»Es ist eine Schande, wenn in einem reichen Land Kinder in Armut leben müssen.« Das sagt Diana Golze und sie weiß, wovon sie spricht. Die Sozialpädagogin aus dem brandenburgischen Rathenow, Mitglied der Kinderkommission des Bundestages, kennt viele Menschen, die arm sind. Zum Beispiel durch den Verein »Kleeblatt«, einer kleinen Hilfsorganisation für Menschen mit Nöten und in Not. Der gehört sie an. Mit Grund. Sie findet, Politik muss Menschen mündig machen und ihnen Kraft und Möglichkeiten geben, selbst etwas zu tun. Ein Mindestlohn zum Beispiel trüge dazu bei, dass es etwas mehr Gerechtigkeit gibt, Hartz IV bewirkt das Gegenteil. Das weiß die Brandenburgerin. Diana Golze ist eine, die zuhört und, wenn es die Sache erfordert, anfängt zu kämpfen: für soziale Gerechtigkeit, für Mindestlohn, für die Kinder, die in armen Familien leben. Sie hat damit schon angefangen, als sie 2001 Abgeordnete im Kreistag Rathenow wurde. Diana Golze macht gute Politik. Mit Herz. Und mit Verstand sowieso.

Nele Hirsch

Für die Stuttgarterin Nele Hirsch gilt, dass Hartnäckigkeit eine Tugend ist. Sie lässt nicht locker. Schon gar nicht, wenn es um Bildungspolitik geht. Sie fragt nach, kritisiert, gibt sich nicht zufrieden. Nicht mit einfachen Antworten, nicht mit Gemeinplätzen, die viele im Mund führen und niemandem nützen. Nele Hirsch sagt: »Die herrschende Bildungspolitik vergrößert die Kluft zwischen Arm und Reich. Sie produziert neue Armut. Sie grenzt aus.« Klare Worte, hinter denen eine engagierte Politikerin steht, die ein Bildungssystem will, das auf Chancengleichheit setzt. Eine, die davon ausgeht, dass es gute und bessere Alternativen zu den herrschenden Verhältnissen gibt und für die frau kämpfen muss. Für die Stärkung des öffentlichen Bildungssystems und gegen die zunehmende Privatisierung von Bildung. Für die Umverteilung von oben nach unten, auch in diesem lebenswichtigen Bereich. Nele Hirsch ist in ihrem jungen Leben schon viel herumgekommen. Hat in Jena mit dem Studium begonnen, war zum Weiterlernen in Osaka, in Peking und in Damaskus. Eine 27-Jährige mit Welterfahrung ist sie also. Und dem Wissen, dass Bildung überall auf der Erde Menschen die Chance auf eine gute Zukunft eröffnet.

Jan Korte

Der Osnabrücker Jan Korte hat die Gabe, Dinge und Angelegenheiten in einer Weise auf den Punkt zu bringen, die Klarheit über die innere Verfasstheit des Staates schafft. Dabei ist Innenpolitik ein weites Feld und Datenschutz ein heikles. Gerade in diesen Zeiten, da das eine immer mehr zur Sicherheitspolitik und das andere zur Spielmasse erklärt wird. Jan Korte ist ein Politiker, der sich klug macht, bevor er etwas sagt. Dann aber hat er auch was zu sagen. Er will, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger erweitert und nicht eingeschränkt werden. Ihm geht es um Mündigkeit und die Möglichkeit, sich einzumischen und gegenzuhalten, wenn die inneren Angelegenheiten zu verkommen drohen. Für ihn ist Datenschutz vor allem der Schutz von Menschen vor Übergriffen des Staates. Und ihm ist wichtig, dass die Menschen sich ihrer Rechte bewusst sind, weil sie befähigt werden, Politik zu durchschauen. Jan Korte kann Politik durchschaubar machen. Scheint ihm in die Wiege gelegt zu sein - diese Art der Vermittlung auf Augenhöhe.

Katja Kipping

So eine hat dem Bundestag gerade noch gefehlt. So eine, die sagt, soziale Ausgrenzung sei ja nun nicht vom Himmel gefallen, sondern befördert worden von Wirtschaft und herrschender politischer Klasse. Da grummelt und schimpft es auf den rechten Bänken im Plenum. Katja Kipping spricht für die Agenda Sozial, für die, denen eine solche Agenda Rettung wäre und Zukunft. Sie spricht für das Netzwerk für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das sie eine »Demokratiepauschale« nennt. »In einer Grundeinkommens-Gesellschaft könnten alle frei von Existenzangst leben«, sagt sie, »diese Freiheit ist eine wichtige Voraussetzung für selbstbestimmtes Tätigwerden.« Materielle Armut aber schlage schnell in soziale Ausgrenzung um. Katja Kipping spricht gegen die »Jeder-ist-seines-Glückes-Schmied-Dummheiten«. Die nehmen die Gesellschaft aus der Pflicht und die Politik aus der Verantwortung. Verantwortungsloses Handeln aber will die 29-Jährige nicht dulden. Katja Kipping macht Sozialpolitik im wahren Wortsinn - als Hilfe zur Selbsthilfe. So eine hat tatsächlich noch gefehlt in diesem Bundestag.

Sevim Dagdelen

Sie hat mit 14 angefangen, sich einzumischen. Und da ist kein Ende in Sicht. Die Duisburgerin Sevim Dagdelen ist politisiert worden durch und gegen erstarkenden Rechtsradikalismus. Sie war Schülervertreterin, hat sich in der Gewerkschaft und in der Migrantenorganisation DIDF für andere Menschen eingesetzt. Wer aus dem Ruhrgebiet kommt und einen politischen Kopf seit jeher hat, weiß, wie wichtig solidarisches Miteinander und der Kampf um soziale Gerechtigkeit sind. »Die Linken«, sagt Sevim Dagdelen, »haben das Zeug dazu, sich für die Zukunft all jener stark zu machen, die von der Gesellschaft benachteiligt sind. Sie haben das Zeug dazu, Konzepte zu entwickeln, die sozial sind.« Sevim Dagdelen ist eine, die, als
sie in den Bundestag einzog, sagte, sie wolle sich nie verbiegen und vor allem wolle sie nicht den Boden unter den Füßen verlieren. Um ihre Bodenhaftung muss niemandem bange sein. Die 32-Jährige bleibt der Region, aus der sie kommt, und den Menschen, die in dieser Region leben, verbunden.

Kathrin Gerloff