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Die erste Montagsdemo war an einem Donnerstag

erschienen in Querblick, Ausgabe 4,

Elke Reinke erinnert sich an den Beginn der Hartz-IV-Demos
Anfang August 2004: Wir standen wie jeden Monat seit September 2003 – immer am Veröffentlichungstag der aktuellen Erwerbslosenzahlen – vor dem Arbeitsamt in Aschersleben. Uns ging es um soziale Gerechtigkeit. Wir forderten menschenwürdige Arbeit, protestierten gegen Sozialabbau, gegen Arbeitszwang und Offenlegungspflichten. Wir buchten ein »Protest-Abo« beim Ordnungsamt fürs gesamte Jahr und kopierten Infomaterial aus dem Internet. Das Megafon wurde mittlerweile gegen einen Lautsprecherwagen getauscht. Wir haben über 10.000 Flyer unters Volk gebracht und unter anderem dafür die Haushaltskassen und Sparschweine geplündert. Als Lohn gab es reichlich Blasen an den Füßen sowie Angst und Hoffnung im Bauch.

Nachdem am Montag in Magdeburg überraschenderweise mehr als 10.000 Menschen auf die Straße gingen, erhofften wir uns auch einige Protestierende mehr als die üblichen 20 bis 30. Vor mir standen Hunderte, hinter mir und dem Lautsprecherwagen drängten sich weitere. Es sollen über 3.000 Menschen gewesen sein. Nach meiner Rede ergriffen noch einige das Wort – »offenes Mikro« heißt das bei uns. Sie ergänzten meine Ausführungen, machten ihrem Unmut Luft und taten die Hoffnung kund, dass es so schlimm schon nicht kommen würde …

Spontan entschlossen wir uns, laut protestierend durch die Stadt zu ziehen. Viele Einwohnerinnen und Einwohner schlossen sich uns an. Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellte baten uns, die Protestaktionen künftig in die Abendstunden zu verlegen, damit auch sie teilnehmen können. Am darauffolgenden Montag um 18 Uhr versammelten sich etwa 5.000 Menschen auf dem Holzmarkt Ascherslebens. Die weitere Entwicklung ist bekannt.

Wir lassen uns unsere Erfolge nicht kleinreden, denn durch den Druck von der Straße haben sich einige positive Änderungen im Gesetzestext des SGB II ergeben. Viele BürgerInneninitiativen entstanden, Runde Tische, Vereine und soziale Bündnisse sind für betroffene Menschen eine Adresse zum gemeinsamen Vorgehen und gegenseitigen Helfen geworden. Das Erstarken der linken Kräfte, die Gründung der WASG, der Wahlerfolg 2005 mit 53 linken Bundestagsabgeordneten und mein Einzug in den Bundestag waren Meilensteine der Protestbewegung. Über 150-mal, jeden Montag, ohne Pause, fragen die OrganisatorInnen am Ende der Demo: »Wollen wir weitermachen?« Die Gegenfrage der 50 bis 100 Menschen: »Gibt es Hartz IV noch?«
Elke Reinke, MdB