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Deutschland vor der Teilprivatisierung?

erschienen in Clara, Ausgabe 43,

Putz bröckelt von Schulwänden, Asphalt platzt auf Autobahnen auf, renovierungsbedürftige Theater werden geschlossen. Bund, Länder und Kommunen haben die notwendigen Gelder für dringende Investitionen in ihren Haushalten nicht bereitgestellt. Verantwortlich dafür sind hausgemachte Fehlplanungen und die Schuldenbremse zur Einhaltung des europäischen Fiskalpakts. Deswegen wird durch sogenannte öffentlich-private Partnerschaften, kurz ÖPP, getrickst. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis soll diese Teilprivatisierung schneller und günstiger sein.

Bundesweit gibt es mittlerweile über 200 solcher Projekte. Bei ÖPP zum Beispiel renoviert eine Stadt ihre Schulen nicht selbst, sondern vergibt den Auftrag an ein privates Unternehmenskonsortium. Dieses übernimmt die anfallenden Baukosten. Im Gegenzug zahlt die Stadt dann in der Regel über 30 Jahre Miete an das private Unternehmen und trägt sämtliche finanziellen Risiken. So werden die städtischen Kassen jährlich weniger belastet, aber die Gesamtkosten summieren sich im Laufe der Vertragslaufzeit auf viel mehr als die ursprünglichen Baukosten. Finanziell dafür aufkommen werden die Steuerzahlerinnen und -zahler.

Neben den hohen Kosten, die den privaten Unternehmen ihre Profite garantieren, ist die mangelnde Transparenz der Hauptkritikpunkt der Fraktion DIE LINKE. Die geschlossenen Verträge sind alle streng geheim und tauchen deswegen auch nicht in den öffentlichen Haushalten der Parlamente auf. Allein Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist es vorbehalten, in die Verträge Einsicht zu erhalten. Aber darüber reden und berichten dürfen sie nicht.

ÖPP bei Autobahnfinanzierung

Über die Finanzierung der Bundesautobahnen entstand Ende vergangenen Jahres Streit in der Bundesregierung. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte der Ausgründung einer privaten Autobahngesellschaft, wie sie von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Gespräch gebracht worden war, eine Absage. Beide sprachen sich zwar gegen eine komplette Privatisierung der Bundesautobahnen aus. Was sie aber explizit nicht ausschlossen, war eine Teilprivatisierung durch ÖPP.

Ähnlich wie bei den Schulen trägt bei solchen ÖPP-Projekten nicht mehr der Bund die Kosten, sondern die privaten Unternehmenskonsortien bauen und betreiben die Autobahnen. Als Gegenleistung erhalten sie keine Miete, sondern die Mauteinnahmen, die für den Streckenabschnitt anfallen. Am Beispiel der Autobahn A1 lässt sich zeigen, weshalb sich der Bund zukünftige Teilprivatisierungen dreimal überlegen sollte. Durch einen Streit unter den Teilhabern eines Betreiberkonsortiums sind Details aus einem 36.000 Seiten umfassenden ÖPP-Vertragskonvolut an die Öffentlichkeit gelangt. Der Vertrag betrifft den Ausbau der A1 zwischen Hamburg und Bremen. Binnen vier Jahren und damit zehn Wochen vor der damals gesetzten Frist wurde die Autobahn auf 74 Kilometer Länge von vier auf sechs Spuren ausgebaut. Die Zeitersparnis von zehn Wochen hatte aber auch ihren Preis: Während der vierjährigen Bautätigkeit wurde auf dem Teilstück ein Anstieg auf jährlich knapp 1.000 Verkehrsunfälle festgestellt.

Hinzu kommt: Die Kosten des Konsortiums für den Ausbau der Autobahn sollen sich auf 650 Millionen Euro belaufen, wohingegen bis zum Vertragsende Zahlungen durch den Staat in Höhe von 2,1 Milliarden Euro an das Konsortium zurückfließen werden. Das macht für den Betreiber einen Gewinn von knapp 1,5 Milliarden Euro. So kommt die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Sabine Leidig, zu dem Urteil, dass die Beteiligung privater Unternehmen uns alle teuer zu stehen komme, mit Ausnahme der Konsortien.

Im Jahre 2013 kam auch der Bundesrechnungshof zu diesem Schluss. Er untersuchte fünf Autobahnprojekte in Deutschland, die mit ÖPP finanziert worden waren, und stellte fest, „dass allein diese um insgesamt über 1,9 Milliarden Euro teurer sind, als es eine konventionelle Realisierung (der Staat baut selbst, Anm. d. Redaktion) gewesen wäre“. Der Bundesrechnungshof verweist in seiner Begründung auf die Tatsache, dass bei einer Vertragslaufzeit von 30 Jahren viele Unwägbarkeiten noch gar nicht seriös berücksichtigt werden könnten. Des Weiteren sind die Konsortien unternehmerisch tätig und wollen einen Gewinn erwirtschaften, den der Staat als Auftraggeber hätte einsparen können, wenn er selbst Bauträger wäre. Darüber hinaus müssen für Investitionen Kredite aufgenommen werden, egal wer baut. Aber das Unternehmen nimmt den Kredit bei Banken zu hohen Zinsen auf, wohingegen der Staat Anleihen ausgibt, die mit maximal einem Prozent verzinst werden müssen. So ist es grundsätzlich günstiger, wenn der Staat Bauvorhaben in Eigenregie durchführt.