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Deutsche Polizei raus aus Afghanistan!

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Afghanistan werden nicht nur deutsche Soldatinnen und Soldaten, sondern auch Polizistinnen und Polizisten eingesetzt. Seit 2002 sind mehr als?1000 Beamte am Hindukusch gewesen. Sie sollen dort beim Aufbau einer rechtsstaatlichen afghanischen Polizei helfen. Diese ist zwar zahlenmäßig gewachsen, aber mit Rechtsstaatlichkeit hat das nichts zu tun: Ein Großteil der afghanischen Polizei ist Teil eines kriminellen Netzwerkes von Warlords, Drogenbaronen und Kriegsverbrechern. Zudem müssen zahlreiche afghanische Polizisten als Kanonenfutter der NATO-Truppen im Kampf gegen Aufständische herhalten.

Hier erfahren Sie, warum der deutsche Polizeieinsatz am Hindukusch ein Teil der westlichen Kriegspolitik ist und warum DIE LINKE sagt: Damit muss Schluss sein.

Ulla Jelpke und Frank Tempel

Bürgerkriegstruppe statt rechtsstaatlicher Polizei

Der Großteil der Polizeiausbilder wird von den am Krieg beteiligten Militärs gestellt – allen voran durch das US-Pentagon, die NATO und durch die private Militär- und Sicherheitsfirma DynCorps. Der Lehrplan für die Ausbildung wird unter Federführung der US-Armee erstellt, die auch die Ausstattung übernimmt. Das zeigt: Die afghanische Polizei soll vor allem eine Bürgerkriegstruppe sein, die im Dienste der Besatzungsmächte und der Karzai-Regierung gegen Aufständische vorgeht. Die Ausbildungsgänge deutscher Polizisten sind nur Beiwerk zum Aufbau dieser quasi-militärischen Kraft. Die Bundesregierung selbst räumt dabei den Vorrang »robuster« Fähigkeiten ein. Zudem bildet die geheime »Task-Force 47« der Bundeswehr afghanische Polizisten zu Einheiten aus, bei denen das »Vorgehen gegen identifizierte regierungsfeindliche Kräfte zu den wesentlichen Aufgaben« gehört. (Quelle: Bundestagsdrucksache?17/5665) Dass es sich bei der afghanischen Polizei nicht um eine rechtsstaatliche Polizei, sondern um eine Kampftruppe handelt, zeigen auch die enormen Verlustzahlen. Seit 2003 wurden über 4500 afghanische Polizisten getötet. Der Grund: Nach einer kurzen Schießausbildung werden die Männer einfach in den Kampf gegen die Aufständischen geworfen.

Keine Nachhaltigkeit

Während der Anteil der männlichen Analphabeten im Durchschnitt 57 Prozent beträgt, sind es bei den Polizeianwärtern rund 89 Prozent! Nach Einschätzung des US-Strategieforschungszentrum CSIS haben rund drei Viertel der afghanischen Polizisten (derzeit rund 130?000 Mann) überhaupt keine Ausbildung erhalten. Andererseits verweist die Bundesregierung darauf, dass allein mit deutscher Hilfe weit über 30?000 afghanische Polizisten ausgebildet worden seien. Doch die Fluktuation ist erheblich: Wegen der Gefährlichkeit des Polizeidienstes und des geringen Lohns quittieren viele Polizisten den Dienst – und wechseln zu besser bezahlenden privaten Sicherheitsfirmen oder gleich zu den Aufständischen. Die Bundesregierung kann oder will nicht sagen, wie viele Polizisten nach ihrer Ausbildung im Polizeidienst verbleiben.  

Kriminelle Vereinigung

Für die meisten Afghanen ist die Polizei nicht die Lösung, sondern Teil des Sicherheitsproblems. Was dabei herauskommt, wenn man Männern, die weder lesen noch schreiben können, nach einem Schnellkurs von höchstens acht Wochen Dauer Schusswaffen aushändigt und Uniformen überstreift, ist nur eine weitere bewaffnete Macht, die die Bevölkerung drangsaliert. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter spricht von einer weitverbreiteten »Straßenräuber-Abzockerei« durch afghanische Polizisten, die an Checkpoints illegal »Wegzölle« kassieren. Deutsche Polizistinnen und Polizisten und Soldatinnen und Soldaten berichten, dass die afghanische Grenzpolizei Teil der Drogenwirtschaft ist, dass Polizeikommandanten nicht nach Fähigkeiten, sondern nach Bezahlung bzw. familiären Beziehungen etwa zum Präsidenten ernannt werden. Korrupte, mit Waffen und Drogen handelnde Polizeichefs werden von ganz oben gedeckt.

Menschenrechtsorganisationen und selbst die UNO stellen fest, dass für Verbrechen von Polizisten faktisch Straflosigkeit herrscht. Hinzu kommt, dass die USA nicht nur Polizisten, sondern auch lokale Milizen mit Waffen, logistischer Hilfe und zum Teil mit Sold ausrüsten, so dass frühere Warlords ihre Truppen »legalisieren« können. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter bilanziert, der deutsche Einsatz sei »ohne Aussicht auf Erfolg«.

Kein Rechtssystem

Der Fisch stinkt vom Kopf her! Die afghanische Regierung ist Teil eines korrupten, mafiösen Netzwerkes aus Drogenbaronen und Warlords. Die Posten für Staatsanwälte und Richter werden nach einem Patronagesystem vergeben. Juristische Ausbildung spielt kaum eine Rolle. In diesem Umfeld ist jeglicher Versuch zum Aufbau einer Polizei, die mehr ist als eine schnellrekrutierte Bürgerkriegstruppe, zum Scheitern verurteilt. Kein Wunder, dass die afghanische Bevölkerung keinerlei Vertrauen zu ihren Behörden hat: »Die Stammes- und Dorfältesten werden in vielen Regionen als bessere Alternative zur staatlichen Justiz angesehen, da sie im Ruf stehen, schnell und fair zu entscheiden und nicht korrupt zu sein«, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linksfraktion. Auch dies zeigt, dass fast zehn Jahre Aufbauarbeit auf ganzer Linie gescheitert sind.

Keine »sicheren Zonen«

Deutsche Polizisten sollen ab Anfang 2012 nur noch in sogenannten gesicherten Trainingszentren eingesetzt werden. Geschützt werden sie von der Bundeswehr. Dabei wissen wir: Es gibt keine »sicheren« Zonen in Afghanistan. Der Trend zur Militarisierung wird auch für die deutschen Polizisten zum Risiko: Je offensichtlicher ihre Vermischung mit dem Militär wird, desto mehr werden auch sie zum Anschlagsziel.

Deutsche Polizisten abziehen!

Der Bundestag hat beim Afghanistan-Einsatz der Polizei – anders als beim Militäreinsatz – kein Mitspracherecht. DIE LINKE fordert schon lange, solche Polizeimissionen unter Parlamentsvorbehalt zu stellen. Wer ehrlich zu deutschen Polizistinnen und Polizisten sein will, muss ihnen sagen: Was sie in Afghanistan aufbauen helfen, hat mit einer rechtsstaatlichen Polizei nichts zu tun. Die Männer, denen sie den Umgang mit Schusswaffen und Schlagstöcken beibringen, sind häufig der Schrecken der afghanischen Bevölkerung. Auch wenn der beste Wille existiert, Afghanistan mehr Rechtsstaatlichkeit zu bringen, sieht das Ergebnis anders aus: Deutsche Polizisten helfen, einen weiteren, hochkorrupten Unterdrückungsapparat aufzubauen. Die Hoffnungen der demokratischen Kräfte in Afghanistan, sich gegen korrupte Politiker und Milizenführer durchzusetzen, werden auch dadurch konterkariert. Damit muss Schluss sein! Afghanistan ist ein Kriegsgebiet – deutsche Polizisten haben dort nichts zu suchen!

DIE LINKE fordert:

  • sofortiger Abzug der Polizei aus Afghanistan
  • keine Polizei in Bürgerkriegsgebieten
  • Parlamentsvorbehalt für internationale Polizeimissionen
  • wirtschaftliche und humanitäre Hilfe statt Fortführung des Krieges
  • Unterstützung demokratischer Oppositionsgruppen statt Aufbau eines korrupten Unterdrückungsapparates.