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Der Terror des Krieges

Von Heike Hänsel, erschienen in Clara, Ausgabe 39,

Vor knapp 15 Jahren begann der „Krieg gegen den Terror“. Die Bilanz fällt verheerend aus, erläutert Heike Hänsel und fordert, ihn zu beenden. 

Nach den Anschlägen auf das Pentagon und das World Trade Center am 11. September 2001 rief der damalige US-amerikanische Präsident George W. Bush einen Krieg gegen den Terror aus, der mindestens zehn Jahre lang dauern werde. Die NATO beschloss kurz danach den Verteidigungsfall und ihre Beteiligung an diesem Krieg. Gerade vor dem Hintergrund der neuerlichen Ausrufung eines Krieges gegen den Terror nach den Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris ist es Zeit für eine Bilanz. Welche Folgen haben fünfzehn Jahre Krieg gegen den Terror? Wie erfolgreich waren die Kriege bei der Bekämpfung des Terrors? Und welche Opfer haben sie gefordert?    Geht es nach der Organisation IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) sieht die Bilanz verheerend aus. Die IPPNW-Studie „Body Count – Opferzahlen nach 10 Jahren ›Krieg gegen den Terror‹ – Afghanistan, Pakistan, Irak“ kommt zu der erschreckenden Zahl von 1,2 bis 2 Millionen Toten als Folge dieses Krieges. Wenn das Recht auf Leben das wichtigste Menschenrecht ist, dann stelle der „Krieg gegen den Terror“ ein massives Menschenrechtsproblem dar und müsse beendet werden. So lautet das Fazit einer Delegation von IPPNW-Ärzten und des ehemaligen UN-Koordinators für den Irak, Hans von Sponeck, im Gespräch mit dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags.    Auch wenn man den Krieg gegen den Terror an seinen eigenen Ansprüchen misst, ist es beschönigend, lediglich von einem Scheitern zu sprechen. Denn der Krieg selbst wurde zu Terror für Millionen von Menschen und hat die Welt nicht sicherer gemacht. Im Gegenteil: Aus einigen Hundert wurden Hunderttausend terroristische Kämpfer. Die Militarisierung der internationalen Politik, die weltweite Aufrüstung und die Erosion des Völkerrechts wurden vorangetrieben.   Neuer Hass und neue Kämpfer   Die US-Strategie des gewaltsamen Sturzes unliebsamer Regierungen hat dazu geführt, dass von Indonesien bis Nigeria Organisationen des islamistischen Terrors, wie der sogenannte Islamische Staat und al-Qaida, mit ihren regionalen Ablegern immer stärker werden. Diese Organisationen haben sich immer mehr ausgebreitet, weil sie beispielsweise mittels „Regime Change“ in Libyen und Syrien direkt vom Westen gefördert wurden oder durch die Art und Weise der westlichen Kriegsführung Zulauf erhielten. Der Bombenkrieg und die extralegalen Hinrichtungen durch Killerdrohnen bedingen eine Vielzahl von zivilen Opfern. Studien dazu gehen von einem Verhältnis von 1 zu 28 aus. Mit jedem vermeintlichen „Terroristen“ werden bis zu 28 Zivilistinnen und Zivilisten getötet. Dies ist den Regierungen und Militärführungen in den NATO-Staaten sehr wohl bekannt. Die Ermordung unschuldiger Zivilisten in diesem Krieg erzeugt aber nur neuen Hass und neue bereitwillige Kämpfer für diese Terrororganisationen.    Sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan und Irak hat sich die wirtschaftliche und soziale Lage dramatisch verschlechtert. Alle drei Länder sind unter den ersten fünf Herkunftsländern zu finden, aus denen Flüchtlinge vermehrt nach Deutschland kommen. Der Krieg gegen den Terror hat auch die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört. In Pakistan leben 21 Prozent der Bevölkerung von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag. Afghanistan ist immer noch eines der ärmsten Länder der Erde, und die Situation der Frauen ist laut Amnesty International weiterhin dramatisch. In Irak gilt ein Viertel der Bevölkerung als unterernährt.   Die Beendigung des Krieges gegen den Terror ist die Voraussetzung für eine soziale und fortschrittliche Entwicklung in den betroffenen Ländern. Dies wiederum wäre der beste Beitrag zur Bekämpfung der Ursachen von Terror.   Heike Hänsel ist stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE