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Der heimliche Staatsstreich

erschienen in Klar, Ausgabe 34,

Warum TTIP und CETA die Demokratie gefährden

Eigentlich sind TTIP und CETA nur zwei Abkürzungen. Sie stehen für zwei Handelsabkommen, die zwischen der EU, den USA und Kanada geschlossen werden sollen. Doch dahinter verbirgt sich einer der gefährlichsten Angriffe auf den demokratischen Rechts- und Sozialstaat, den es je gegeben hat – ein »heimlicher Staatsstreich«, wie kürzlich die Süddeutsche Zeitung schrieb.

Unbekannte haben in den letzten Monaten Geheimdokumente der EU-Kommission an die Öffentlichkeit gebracht und so offenbart, was den europäischen Bürgerinnen und Bürgern und ihrer Demokratie durch die Abkommen droht: Alles, was in Europa, Kanada und den USA das Profitstreben von internationalen Konzernen behindern kann, soll aus dem Weg geräumt oder zumindest abgeschwächt werden – das betrifft vor allem Umwelt- und Sozialstandards, der Tier- und Verbraucherschutz sowie Klimaschutzpolitik.

Hierfür soll Unternehmen aus den USA, aus Kanada und der EU ein überaus wirksames Instrument gegeben werden: ein »Klagerecht« vor privaten Schiedsgerichten außerhalb des normalen Rechtswegs. Vor diesen Schiedsgerichten können all jene Entscheidungen von Parlamenten attackiert werden, die Profitinteressen behindern, etwa mögliche Gesetze des Bundestags zur strengeren Finanzmarktregulierung. Diese Schiedsgerichte gibt es zwar heute schon, aber US-amerikanische, kanadische und europäische Unternehmen können sie bisher nicht nutzen, um in ihren Ländern wechselseitig heimische Gesetze anzugreifen und Entschädigungen in Milliardenhöhe einzufordern.

Die Folgen sind heute schon klar: Welcher Politiker und welches Parlament wird noch ein Gesetz zum Atomausstieg oder zur effektiven Bankenregulierung beschließen, wenn Milliardenklagen drohen und diese dann auch noch von Pseudogerichten in Hinterzimmern entschieden werden?

Um diese Form des Staatsstreichs zu ergänzen, ist beim TTIP ein neues Supergremium aus EU- und US-Bürokraten geplant. Hier sollen künftige Gesetze und Verordnungen bewertet werden, ob sie dem klaren Liberalisierungsauftrag des Handelsabkommens entsprechen. Dieses Supergremium, zu dem Konzerne und Lobbyisten exklusiven Zugang besitzen, würde noch besser als bisher die Wünsche von Unternehmen bei der Gesetzgebung einbringen und die politische Freiheit bei der Gestaltung von Recht und Ordnung durch gewählte Parlamente massiv einschränken.

Unterstützt wird die EU-Kommission bei ihren Plänen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Zusammen betonen sie die Vorteile der Abkommen und lassen sie mit Steuergeld bewerben, mit Erfolg: TTIP, das Abkommen zwischen der EU und den USA, befindet sich in der heißen Verhandlungsphase. CETA, das Abkommen mit Kanada, ist nach rund fünf Jahren ausverhandelt und der Vertragstext liegt vor.

Doch weil die öffentliche Kritik an TTIP und CETA in den vergangenen Wochen immer größer wurde, hat Minister Gabriel nun Anfang September ein vollmundiges Wendemanöver vollzogen: Er verkündete, er habe Zweifel an den umstrittenen Schiedsgerichten. Auch seine Partei sprach sich gegen Schiedsgerichte aus. Sollte Gabriel seine Partei und seine eigenen Worte ernst nehmen, müsste er alles daransetzen, bei TTIP und CETA die Notbremse zu ziehen. Bisher ist das nicht erfolgt.