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„Den sozialen Fortschritt ins Zentrum rücken“

erschienen in Clara, Ausgabe 43,

Angesichts der nahenden Präsidentschaftswahl im April richtet sich die Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit auf Frankreich. Was sind aktuell die größten Herausforderungen in Ihrem Land?

Pierre Laurent: Frankreich ist nach 30 Jahren Austeritätspolitik geschwächt, besonders nach den vergangenen beiden Amtsperioden von Nicolas Sarkozy und François Hollande, die von der totalen Unterwerfung unter die Forderungen der Finanzmärkte geprägt waren. Die Folgen sind verheerend: Massenarbeitslosigkeit, Zunahme unsicherer, schlecht bezahlter Jobs, verschärfte Ungleichheit und noch mehr Armut. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Armen von einer auf fast neun Millionen gestiegen, vor allem durch die hohe Arbeitslosigkeit. Daraus ergibt sich die zentrale Herausforderung für Frankreich: den sozialen Fortschritt wieder ins Herz der Politik zu rücken.

Die PCF unterstützt bei der Präsidentschaftswahl La France insoumise (Das widerständige Frankreich). Wodurch zeichnet
sich diese Bewegung aus?

La France insoumise ist kein Parteienbündnis, sondern eine neue politische Bewegung, die Jean-Luc Mélenchon gegründet hat, um seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl zu fördern. Die PCF unterstützt seine Kandidatur, weil sein Programm viele Überschneidungen mit unserem Programm aufweist. Die PCF hat darauf verzichtet, eine eigene Kandidatur zu betreiben, um der Zersplitterung der politischen Linken entgegenzuwirken. Diese Unterstützung verbinden wir mit dem Einsatz für eine parlamentarische Mehrheit der Linken, die sich aus kommunistischen, sozialistischen, ökologischen Kräften zusammensetzt und bereit ist für einen Politikwechsel. Damit wollen wir die Gefahr bannen, dass die zweite Runde der Präsidentschaftswahl zwischen einem rechten Kandidaten und einer rechtsextremen Kandidatin entschieden wird. Diese Katastrophe kann noch abgewendet werden: Daraus speist sich der Kampfgeist und der Einsatz der PCF.

Auf die Präsidentschaftswahl folgt im Juni bereits die Wahl der französischen Nationalversammlung. Welche Ambitionen hat die PCF?

Die Kommunistische Partei Frankreichs engagiert sich bei beiden Wahlen. Bedauerlicherweise unterwerfen die Institutionen die Wahl zur Nationalversammlung der Präsidentschaftswahl. Der politische Kalender sorgt dafür, dass die Präsidentenwahl die Wahl zur Nationalversammlung überlagert. So als würde es nur noch darum gehen, dass der neu gewählte Präsident eine Mehrheit im Parlament erhält. Die PCF setzt sich dafür ein, im Rahmen einer erneuerten und demokratisierten Republik die Rolle des Parlaments und der vom Volk gewählten Abgeordneten zu stärken. Unser Ziel ist es, bei der Präsidentschaftswahl eine Dynamik zu entfachen, die es erlaubt, auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms einen Zusammenschluss herbeizuführen und bei der Wahl zur Nationalversammlung eine Mehrheit zu erzielen, die wahrhaftig linke Politik machen und das Land aus der Sackgasse holen kann, in die es die Austeritätspolitik geführt hat.

Was sind Ihre zentralen politischen Forderungen?

Die PCF tritt mit einem Projekt an, das wir „La France en commun“ („Das gemeinschaftliche Frankreich“) überschrieben haben. Dieses Projekt beinhaltet ein Programm, das sich der kapitalistischen Logik entgegenstellt. Wir wollen die Macht des Kapitals begrenzen, Reichtum umverteilen, in neue Arbeitsplätze investieren, die Gleichheit zwischen Frauen und Männern herstellen und neue Produktionsformen etablieren. Uns geht es um eine neue Republik der Bürgerinnen und Bürger, um ein solidarisches, weltoffenes Land, das dazu beiträgt, Europa zu verändern.

Aktuellen Umfragen zufolge ist zu befürchten, dass die Kandidatin des Front National (FN), Marine Le Pen, einen großen Wahlerfolg erzielen wird. Was muss DIE LINKE unternehmen, um das zu verhindern?

Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass in Frankreich, wie in anderen europäischen Ländern und in den USA mit der Wahl Donald Trumps, die extreme Rechte ein imposantes Ergebnis erzielen wird, indem sie die Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit ausnutzt, die durch das Scheitern der bisherigen Politik verursacht wurden. Diese dramatische Entwicklung aufzuhalten, setzt zwei Dinge voraus: den Zusammenhalt der Linken einerseits und andererseits das Aufdecken der Lügen des Front National. Der Front National behauptet, im Namen derjenigen zu sprechen, die von der Krise am stärksten betroffen sind, während sein Programm in Wahrheit eine Kriegserklärung an die Ärmsten ist und die Interessen der Finanzmärkte und der Kapitalisten verteidigt. Demnächst werden wir ein Buch veröffentlichen, in dem wir die Gefahren aufzeigen, die von der Rechten und ihrem Programm ausgehen, und die Lügen der Kandidatin des Front National aufdecken.

Welche Auswirkung hat die französische Präsidentschaftswahl für Europa?

Frankreich ist das fünftmächtigste Land der Welt. Seine Bedeutung für Europa ist groß. Eine neue parlamentarische Mehrheit, gewählt auf der Grundlage eines linken Programms, böte die Gelegenheit, die Europäische Union aus der Austeritätspolitik herauszuholen, die ihr Fundament untergräbt. In diesem Sinn ist das Engagement fortschrittlicher Kräfte, französischer und europäischer, entscheidend. Dazu möchte die PCF beitragen. Und es ist auch die Stoßrichtung der Aktionen und Initiativen der Europäischen Linken, die sie in den nächsten Monaten präsentieren wird.

Pierre Laurent ist Vorsitzender der Kommunistischen Partei Frankreichs (Partie communiste français, PCF).