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Das gebrochene Versprechen

erschienen in Klar, Ausgabe 30,

Das Drama droht in wenigen Wochen. Vom 1. August an haben Eltern für ihre Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf eine Tagesbetreuung. Doch nach Schätzungen fehlen zwischen 150.000 und 220.000 Plätze bundesweit. Viele Mütter und Väter werden für ihre Kinder zwischen ein und drei Jahren somit keinen Platz bekommen.

Überraschend ist dieses Desaster nicht. Von Beginn an gab es einen entscheidenden politischen Denkfehler: Die Bundesregierung schätzte den bundesweiten Bedarf an frühkindlicher Betreuung nur, anstatt ihn zu erfragen. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP ging von zunächst 35 Prozent Bedarf aus, korrigierte die Zahl später auf 38 Prozent. Beide Schätzungen haben jedoch nichts mit der Wirklichkeit zu tun.

Umfragen zeigen: Zwei Drittel der Eltern wünschen sich eine Tagesbetreuung ihrer Kinder ab dem ersten Geburtstag. Die Gründe dafür sind vielfältig. Für die Kinder geht es um eine weitere soziale Gemeinschaft außerhalb der Familie, um spielerische Bildungsangebote und um eine frühe Förderung. Und die Eltern wollen zurück in den Beruf. Die meisten jungen Familien sind auch angewiesen auf den doppelten Verdienst.

Darüber hinaus hat sich das Familienmodell gewandelt. Frauen und Männer möchten partnerschaftlich leben: Kind, Haushalt, Familie und berufliche Verwirklichung sollen unter einen Hut gebracht werden. Die Zeit wird nicht ausreichen, um den Bedarf an Betreuungsplätzen zu decken. Auch nicht den an ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern. Die Kommunen befürchten deshalb Klagen, besonders in Großstädten und Ballungsgebieten.

Bis heute ist völlig ungeklärt, ob und was bei einem möglichen Verdienstausfall gezahlt werden muss, wenn Eltern beim Betreuungsplatz ihres Kindes leer ausgehen. Geködert werden sollen Eltern darum mit dem Betreuungsgeld. Auch das tritt am 1. August 2013 in Kraft.

100 Euro erhalten Mütter, die zu Hause bleiben und ihr Kind nicht in eine Kita oder zu einer Tagesmutter geben. Es ist der Versuch, den Eltern den Rechtsanspruch abzukaufen.

Experten errechneten, das Betreuungsgeld wird jährlich zwei Milliarden Euro kosten. Viel Geld für eine Familienpolitik, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie völlig aushebelt. Viel Steuergeld auch, das in einer flächendeckenden Infrastruktur für Kinder und Eltern weitaus besser aufgehoben wäre.