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Darum lehnt DIE LINKE den Krieg in Libyen ab

Von Wolfgang Gehrcke, erschienen in Clara, Ausgabe 19,

Dieser Krieg ähnelt dem Irak-Krieg: Erneut gehe es dem Westen vor allem ums Öl und nicht um Menschenrechte, argumentiert Wolfgang Gehrcke.

Wieder ein Krieg, wieder kostet er Menschenleben, dieses Mal in Libyen. Die vier apokalyptischen Reiter – Pest, Krieg, Hungersnot und Tod – sind wieder unterwegs mit ihren Bannerträgern Lüge, Fälschung, Korruption, Verrat. Über allen thronen auf einem Ölfass die Geier, die Ausbeutung, die Unterwerfung, der Profit.


Kriege brechen nicht aus, sie werden gemacht. Unter Billigung und Mitwirkung der US-amerikanischen Regierung sind der französische Staatspräsident Sarkozy und der britische Premierminister Cameron vorgeprescht, ausgewiesene Konservative mit offener Flanke nach rechts, hierzulande unterstützt von SPD und Grünen.


Die USA und Europa, auch Staaten wie China und Indien, wollen an das arabische Öl. Allein, Frankreich und Großbritannien wollen als ehemalige Kolonialmächte jetzt ihre damals verlorenen Kämpfe gewinnen, nicht mehr als Unterdrückende von außen, sondern in neuem Gewand als Unterstützende von Befreiungsbewegungen im Inneren.


Eigentlich waren die Westmächte mit dem libyschen Herrscher Muammar Gaddafi zuletzt nicht schlecht gefahren: Er lieferte das Öl und hielt die afrikanischen Flüchtlinge von Europa fern, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Doch dann begann im Nahen Osten ein Aufbruch in Richtung Demokratie, der die machtpolitischen und geostrategischen Konstellationen durcheinanderwirbelte.


In Libyen nahm der Aufbruch die Form eines Bürgerkrieges an. Bis heute kann niemand sagen, ob die Aufständischen auch Demokraten sind. Sicher ist: Es geht um unterschiedliche Interessen, um Verteilungskämpfe. Diese Gemengelage nutzt der Westen, um in der ganzen Region die Aufbegehrenden vor den Knoten zu schieben: Bist du für Despoten wie Gaddafi – oder bist du mit uns gegen sie?
 

Der Westen und das Öl

 

Vieles erinnert an den Irak-Krieg: Dem Westen ging es um Öl, der Feind war ein Despot, der Krieg wurde zur Verteidigung von Menschenrechten geführt. Es begann mit einer Flugverbotszone, damals zum Schutz der Kurden; damals wie heute wurde Uran-angereicherte Munition eingesetzt.


Doch es gibt auch Unterschiede. US-Präsident Bush junior war in seinem Irak-Krieg die Koalition der Willigen genug. Die reicht heute nicht, obwohl sie existiert und die kriegerische Drecksarbeit macht. Benötigt aber werden jetzt ein UNO-Mandat und arabische Bündnispartner. Weder Westmächte noch die UNO noch das Militärbündnis NATO fanden es bedenklich, mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten den Libyen-Krieg zu beschließen, mit antidemokratischen Regimes also, die gleichzeitig in Bahrain einmarschierten, um die dortigen Proteste niederzuwalzen.
 

Die UNO-Resolution geht davon aus, dass die Zivilbevölkerung in Libyen vor Gaddafis Truppen und Luftwaffe geschützt werden müsse. Dabei war von Anfang an klar: Ein Flugverbot durchzusetzen, bedeutet Krieg. So bricht die UNO-Resolution ihre eigene Charta und wird Partei in einem Bürgerkrieg.


Es war richtig, dass Deutschland sich im Sicherheitsrat der UNO der Stimme enthalten hat. Aber das reicht nicht aus. Alle Kampfhandlungen in Libyen müssen sofort aufhören. In diese Richtung können lediglich Staaten vermitteln, die im Weltsicherheitsrat nicht für den Krieg gestimmt und die keine koloniale Vergangenheit in Nordafrika haben. Das träfe etwa auf Deutschland und Russland zu.


Wer über Menschenrechte redet, muss sofort den Flüchtlingen helfen, die im Italien von Ministerpräsident Berlusconi zum Spielball einer rassistischen Politik werden. Die Mauer, die Europa mit dem Grenzkontrollregime Frontex um seine Grenzen zieht, muss geschleift werden. Auf keinen Fall dürfen Waffen geliefert werden, weder an Gaddafi noch an seine Kontrahenten.

Wolfgang Gehrcke ist außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.