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„Da dürfen wir nicht still bleiben“

erschienen in Lotta, Ausgabe 7,

Ines Scheibe ist Psychologin und Chefin der Schwangerschaftskonfliktberatung beim Humanistischen Verband Berlin. Seit 1993 berät ihr Team – noch bestehend aus Sozial- und Sexualpädagoginnen – Frauen und Paare bei Fragen in der Schwangerschaft und nach der Geburt. Sie hören zu, klären auf, verweisen auf Rechte und Wege für Hilfen und Unterstützung. Auch bei der Pflichtberatung vor einem Schwangerschaftsabbruch. Die Fristenlösung mit vorheriger Beratung gibt es im vereinigten Deutschland seit 1993. Die Streichung des über einhundert Jahre alten Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch – so wie für die Ostfrauen schon mal gültig – wäre allen Beraterinnen lieber gewesen, aber die „Pflicht“  wurde nach anfänglicher Empörung als notwendiger Termin akzeptiert. „Seit geraumer Zeit“ jedoch verändert sich etwas, erzählt Ines Scheibe. „Zunächst kam die Verunsicherung schleichend, auf leisen Sohlen, dann wurden die Angriffe selbsternannter Lebensschützer dreister und massiver.“ Es sind Anfeindungen  in groben Schlagwörtern: „Tötungszentren“, „Euthanasie“ oder „Babycoust“ heißt es auf Webseiten der Abtreibungsgegner. Türen und Briefkästen von Familienplanungszentren, Beratungsstellen oder Arztpraxen werden mit gleichlautenden Aufklebern übersät. Und waren anfänglich einige hundert Fundamentlisten mit weißen Kreuzen in Berlin zum angeblichen „Marsch für das Leben“ auf den Straßen, zählten sie im letzten Jahr über dreitausend. „Da dürfen wir  nicht still bleiben“, sagt Ines Scheibe. Zusammen  mit anderen gründete sie im August 2013 das Berliner Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. Dabei: pro familia in Berlin und Brandenburg, der Lesben- und Schwulenverband, Terres des Femmes, Mädchenmannschaft, DIE LINKE  Berlin und viele andere. Im September 2013 gab es die erste Demonstration unter dem Motto „Leben und lieben ohne Bevormundung“. Dieses Jahr, genau am 21. September, wird es erneut eine bunte, lebensbejahende, laute Kundgebung am Brandenburger Tor geben. „Denn“, so Ines Scheibe, „sexuelle Selbstbestimmung ist mehr als das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch. Dazu zählen andere Lebensweisen, Regenbogenfamilien, auch die freie Hebammenwahl. Das sind Menschenrechte, und für die gehen wir auf die Straße.“

Gisela Zimmer
Mehr Informationen unter: www.sexuelle-selbstbestimmung.de