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Care – die Sorge für uns und andere gehört ins Zentrum

erschienen in Lotta, Ausgabe 13,

Mit dieser Konferenz wollten wir einen Raum schaffen, in dem die vielen Menschen zusammenkommen können, die sich mit den Missständen und Problemen im Sorgebereich politisch und alltagspraktisch auseinandersetzen. Nach einer Einführung von Gabriele Winker – sie ist Sozialwissenschaftlerin und Professorin für Arbeitswissenschaft und Gender Studies an der Technischen Universität Hamburg-Harburg – diskutierten die 120 Teilnehmenden in sechs Workshops über Probleme und Handlungsperspektiven. Die Themen waren so breit gefächert wie der Alltag: Selbstsorge, Leben mit Kindern, Krankenhäuser, Pflege und Assistenz, Soziale Arbeit sowie die Politisierung von Care. Die Teilnehmenden spiegelten das gesamte Spektrum der Care-Bewegung wider: pflegende Angehörige, Vertreterinnen und Vertreter von Klinikpersonalräten, Aktive aus feministischen und linken Gruppen, kirchlich Engagierte, Studierende und Berufstätige. Der Austausch fand in einer offenen Atmosphäre mit vielen  interessanten inhaltlichen Inputs statt. Bei dem zentralen Thema ging es darum, wie die Rahmenbedingungen für bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit grundlegend verbessert und demokratisiert werden können. Einigkeit bestand darin, dass zum Beispiel für eine humane Pflege oder eine gute Kita-Betreuung deutlich mehr Ressourcen, Zeit und eine unterstützende Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese Voraussetzungen dafür sind derzeit  nicht gegeben und somit leiden immer mehr Sorgearbeitende unter Zeitstress und Existenznot. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen für dieses grundlegende Problem sensibilisiert  und es gibt häufiger Arbeitskämpfe, in denen die Arbeitsbedingungen von Care-Beschäftigten mit den Interessen von Kindern und Eltern, Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen verbunden werden. Auf der Konferenz waren deshalb auch  Tarifverträge über eine gesicherte Mindestbesetzung auf Pflegestationen ein diskutiertes Thema. Care Revolution Freiburg unterstützt ein Bündnis für mehr Personal in den Krankenhäusern. Und zwar aus der Sicht potenzieller Patientinnen und Patienten. Der  Slogan lautet: „Mehr von uns/Euch ist gut für alle“. Doch was bleibt am Ende solcher Aktionen und Auseinandersetzungen? Immer wieder zeigt sich, dass die Kooperation der an den Bündnissen beteiligten Gruppen nicht weitergeführt wird. Das ist für alle Beteiligten frustrierend. Darum regte die Aktionskonferenz die Gründung eines Freiburger Care-Rates an. Ein solcher Care-Rat könnte den öffentlichen Diskurs um Care-Fragen verstetigen, punktuell und exemplarisch soziales Unrecht in der Kommune skandalisieren, Ursachen dieser Ungerechtigkeiten offenlegen, konkrete Forderungen zusammen mit anderen politischen Initiativen entwickeln und somit eine Kooperation verstetigen, die bislang eher sporadisch stattfindet. Die Sitzungen des Care-Rates sollten allen Interessierten offen stehen. Nach Vorstellungen der Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer sollten Expertinnen und Experten im Care-Rat über ihren Alltag, ihre Arbeitsbedingungen und die Auswirkungen auf andere Personengruppen berichten. Je nach Thema könnten das Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Pflegekräfte, Patientinnen und Patienten und pflegende Angehörige sein, aber auch Beschäftigte im Sozialbereich, feministische Aktivistinnen oder Personalrätinnen und Personalräte. Wir glauben, dass ein solcher Care-Rat den punktuellen Kontakt aller im Sorgebereich engagierten Menschen auf Dauer halten und damit Debatten um das weitere gemeinsame Vorgehen vertiefen kann. Nicht nur in Freiburg, sondern auch anderenorts.

Gabriele Winker und Matthias Neumann  sind aktiv bei Care Revolution Freiburg.

Was ist das Netzwerk Care-Revolution?

Das Netzwerk Care Revolution ist ein Zusammenschluss von über 80 Gruppen und Personen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die in verschiedenen Feldern sozialer Reproduktion – Hausarbeit, Gesundheit, Pflege, Assistenz, Erziehung, Bildung, Wohnen und Sexarbeit – aktiv sind. Gemeinsam ist ihnen der Kampf gegen Lücken in der öffentlichen Daseinsvorsorge, die zu Überforderung und Zeitmangel führen. Langfristig werden neue Modelle von Sorge-Beziehungen und eine Care-Ökonomie angestrebt, die nicht Profitmaximierung, sondern die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum stellt, und die Sorgearbeiten und Care-Ressourcen nicht nach rassistischen, geschlechtlichen oder klassenbezogenen Strukturierungen verteilt.

Mehr unter www.care-revolution.org