Zum Hauptinhalt springen

Bunte Kultur braucht ein buntes Deutschland

erschienen in Clara, Ausgabe 40,

Wolf-Rüdiger Raschke, Keyboarder der Band Karussell, über musikalische Erfahrungen mit Multikulti und eine besondere Auszeichnung durch seine Heimatstadt Leipzig.

Musik von Karussell zeichnete sich durch musikalische und textliche Tiefgründigkeit aus. Hits wie Ehrlich will ich bleiben, Wie ein Fischlein unterm Eis, oder Als ich fortging sind gute Beispiele dafür. Im Jahr 1989 ging diese Ära zu Ende. Es wurde stiller um Karussell, fast 17 Jahre lang. Was war passiert?

Wolf-Rüdiger Raschke: Wir glaubten an einen neuen Anfang. Aber es gab keinen Platz mehr für die DDR-Rockmusik. So mussten wir, wie viele Musiker, nach neuen Wegen suchen, um die Existenz zu sichern. Wir mussten eine lange Durststrecke überstehen. Schließlich kamen junge Bandmitglieder hinzu und damit auch neue Klangfarben. Das verschmolz gut mit unseren Auffassungen von Melodien und Texten. Seit neun Jahren ist Karussell wieder zu Konzerten unterwegs.

 

Inwieweit hat Ihre Band die leisen, oft gefühlsbetonten Töne beibehalten? Welche Klangfarben dominieren das Programm heute?

Viele alte Texte haben ja ihre Aktualität behalten, und auf bewährte Melodien wollen wir auch nicht verzichten. Mit dem Album Loslassen, das im Jahr 2011 in Berlin aufgenommen und in New York gemischt wurde, ist uns diese musikalische Kombination von Jung und Alt gut gelungen. Wir sind inzwischen so fest zusammengewachsen, als ob es nie anders gewesen wäre. So schließt sich der Kreis aus Vergangenheit und Zukunft, mit Freunden, Menschlichkeit und Musik.

 

Welche Ergebnisse der neueren Karussell-Zeit gibt es denn?

Vor zwei Jahren haben wir das Album Karussell – Die größten Hits produziert. Es gestaltet sich als eine musikalische Zeitreise, weckt Erinnerungen und Emotionen, begeistert aber auch durch aktuelle Songs und vereint somit die Zuhörer über mehrere Generationen. Im Jahr 2015 hatte der Kinofilm Karussell – Vier Tage auf Hiddensee zum Schweriner Filmkunstfest Premiere. Zu unserem Band-Jubiläum wird in diesem Jahr die DVD Karussell – Ehrlich will ich bleiben: Die Geschichte der Band erscheinen. Unsere Heimatstadt Leipzig ehrt uns in besonderer Weise: Die Leipziger Volkszeitung veröffentlicht eine Briefmarke und einen Ersttagsbrief mit den Porträts der Musiker.

 

Wie politisch ist eine Rockband bei Auftritten in der heutigen Zeit?

Wir waren immer politisch, sind für eine gute Integration der Flüchtlinge. Ohne ein buntes Deutschland gibt es auch keine bunte Kultur. Wir haben schon zu DDR-Zeiten Musik mit Chilenen und Algeriern gemacht und insofern mit Multikulti gute Erfahrungen gesammelt. Für uns ist eine abwechslungsreiche, vielfältige Kultur nur denkbar, wenn alle die Chance bekommen, sich daran zu beteiligen.

 

Im Osten ist die Band Karussell gut bekannt, im Westen weniger. Wann wird sich das ändern?

Das ist ganz schwierig. Leider gibt es noch immer Sendeanstalten, die uns nicht im Südwesten oder Bayern spielen. Wir werden weiter daran arbeiten, den Sprung auf die gesamtdeutsche Musikbühne zu schaffen. Derzeit konzentrieren wir uns auf unsere heimischen Wurzeln und geben die meisten Konzerte im Osten.

 

Das Interview führte Frank Schwarz