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Beschäftigte erkämpfen Betriebsrat

erschienen in Klar, Ausgabe 10,

Berlin. Erst warnten Freunde: »Gründe keinen Betriebsrat, du gefährdest deinen Arbeitsplatz!« Dann hieß es: »Nenn in der Presse keine Namen. Wer weiß, wie der Arbeitgeber reagiert!« Kaufland-Mitarbeiterin Annelie Gröpke (46) hat die Warnungen ignoriert. Sie hat einen Betriebsrat gegründet und spricht offen darüber, um anderen Mut zu machen.

Niemand durfte von dem Geheimplan in der Berliner Kaufland-Filiale Storkower Straße vorzeitig erfahren. Doch daran, dass gehandelt werden musste, gab es keine Zweifel. Zu oft hatte Annelie Gröpke, die an der Fleischtheke arbeitet, den Frust in sich hineingefressen. »All die unbezahlten Überstunden, immer wieder kurzfristige Arbeitspläne. Manchmal wurde ich für läppische zweieinhalb Stunden eingesetzt«, erzählt sie.

Aus gutem Grund hatte ver.di-Expertin Sabine Zimmer (52) ihrer Kollegin dennoch zur Verschwiegenheit geraten. Immer wieder sabotierten Arbeitgeber Betriebsratsgründungen, erzählt die Gewerkschafterin: »In Einzelgesprächen macht man den Leuten Angst«.

Erst als gesichert war, dass eine Wahl stattfinden würde, suchte Gröpke offen nach Kandidaten. Fast 40 Kollegen sprach sie an - die meisten vergeblich. »Hinter vorgehaltener Hand haben einige zugegeben, dass sie sich vor Mobbing oder Kündigung fürchten«, erzählt sie. Am Ende waren es trotzdem zehn Beschäftigte, die Mut fassten und sich Gröpke anschlossen.

Zusammen kandidierten sie auf einer Gewerkschaftsliste. Sie ließen sich auch nicht mehr umstimmen, als es plötzlich eine zweite Liste gab, die mancher im Betrieb »Arbeitgeber-Liste« nannte. Sabine Zimmer von ver.di kann diesen Vorwurf, der in diesem Namen steckt, nicht beweisen. Er passe aber zu ihren eigenen Erfahrungen im Handel. Zimmer: »Wenn ein Arbeitgeber die Wahl eines Betriebsrates nicht mehr verhindern kann, versucht er oft, eine eigene Liste ins Rennen zu schicken.«

Bei der Betriebsratswahl triumphierte die Liste von Gröpke und ihren Mitstreiterinnen. Mit dem Rückhalt von sieben von neun Sitzen feierten sie erste Erfolge, setzten Urlaubsansprüche für die studentischen Pauschalkräfte durch, dazu eine 14-tägige Dienstplanung, Spät- und Nachtzuschläge.

Bis eines Tages eine Unterschriftenliste im Betrieb kursierte, auf der die Auflösung des Betriebsrats gefordert wurde. Kurz darauf legten die Mitglieder der »Arbeitgeber-Liste« ihre Mandate nieder. Dann wandten sich zwei Mitstreiter von Gröpke ab. Der Betriebsrat war nicht mehr ausreichend besetzt. Die Folge: Neuwahlen.

Bei den erzwungenen Neuwahlen gewann die Liste von Annelie Gröpke erneut eine Mehrheit im Betriebsrat. Durch die erfolgreichen Kämpfe gegen offene und versteckte Gegner fühlt sie sich gestärkt - und strebt bereits ein neues Ziel an: eine erste Betriebsvereinbarung.