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Wir brauchen einen langen Atem

Periodika,

Manchmal steht der 39-jährige Stefan Müller in einer uralten Straßenbahn und »macht den Schaffner«, wie er sagt. Er trägt einen Galoppwechsler vor dem Bauch, aus dem das Wechselgeld kullert. So eine Oldtimerfahrt durch Hannover gefällt den Menschen. Manchmal ist es gut, sich in alter Langsamkeit durch die Stadt zu bewegen. Für einen wie Müller sowieso. Er ist hier nicht nur aufgewachsen, er möchte die Region Hannover auch verändern. Dafür muss man genau hinschauen können und wissen, wie es »da draußen« aussieht. Verändern, das sagt sich leicht dahin, aber man fragt sich doch, wie der Vorsitzende einer kleinen Fraktion in der Regionsversammlung Hannover, der 85 Mitglieder angehören, das anstellen will.

Seit 2006 sitzt er für DIE LINKE in diesem Kommunalparlament, das die politischen Geschicke von 21 Städten und Gemeinden bestimmt. Zuvor war er fünf Jahre PDS-Einzelkämpfer. Drei Abgeordnete hat seine Fraktion heute. Das ist ein Anfang, der Folgen haben wird, da ist sich der Diplom-Sozialwissenschaftler und Stadtbahnfahrer Müller sicher. Vielleicht hält er es ein wenig mit der Erkenntnis: Der Anfang ist mindestens die Hälfte vom Ganzen. Zusammen mit einigen anderen ist er 1994 aus der SPD aus- und 1995 in die PDS eingetreten, um linke Politik zu machen. Eine von den anderen war Dorothée Menzner, heute Bundestagsabgeordnete, mit der Stefan Müller damals im PDS-Kreisvorstand Hannover saß. So hat es begonnen. Und ganz einfach war es nicht.

Dorothée Menzner sagt: »Wenn wir nicht gute und engagierte Leute hätten, die in den Kommunalparlamen-ten deutlich machen, dass linke Politik im besten Wortsinn Interessenvertretung ist und für soziale Gerechtigkeit steht, wäre eine gesamtdeutsche LINKE ein Traum geblieben.« Das sieht Stefan Müller auch so: »Durch die Opposition von links auf allen Ebenen werden die anderen Parteien gezwungen, soziale Themen aufzugreifen. Da kann es gelingen, dass wir ein Problem auf die Tagesordnung heben, und wenn wir dranbleiben und Verbündete suchen, nehmen die anderen unsere Vor-schläge irgendwann auf.« Dann macht er eine Pause und sagt: »Kann schon vorkommen, dass die dann unseren Vorschlag als ihre Idee verkaufen.

Wenn sich die Dinge dadurch zum Besseren wenden, können wir damit leben.« Viele Menschen in der Region wissen, von wem zum Beispiel die Initiative kam, ein Sozialticket einzuführen oder der geplanten Verschlechterung der Schülerbeförderung Einhalt zu gebieten. Auch für einen Schulgeldfond sorgten die LINKEN gemeinsam mit anderen Fraktionen und dem DGB. Hartz IV, fehlende Mindestlöhne, steigende Preise, kontinuierlicher Sozialabbau hatten dazu geführt, dass wichtige Bereiche der Grundversorgung und Daseinsfürsorge für viele Menschen nicht mehr galten. Dem Druck der LINKEN gab auch das ortsansässige Jobcenter nach und schuf mehr als 300 Arbeitsverhältnisse nach der Entgeltvariante. Das heißt, es sind sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse statt Ein-Euro-Jobs entstanden.

Stefan Müller sieht hier weitere Chancen, den öffentlichen Beschäftigungssektor in der Region Hannover auszubauen. Er weiß, dass dies kleine Siege sind, errungen für alle, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind. »Wir werden uns auch dafür einsetzen, einen Sozialpass einzuführen. Und dabei werden wir nicht darin nachlas-sen, gegen Hartz IV zu kämpfen. Man muss beides tun: Erleichterungen erstreiten und gleichzeitig gegen das Grundübel angehen. Dafür werden wir einen langen Atem brauchen. Und den haben wir auch.«