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Statt Geld fehlt politischer Wille

Periodika,

Interview mit den einstigen Balletttänzerinnen Monika Ehrhardt-Lakomy und Hadmut Fritsche
Am 28. Mai standen in namentlicher Abstimmung 17 Anträge der Fraktion DIE LINKE zur Beseitigung von Rentenungerechtigkeit in Ostdeutschland auf der Tagesordnung des Bundestages. Ein Antrag betraf die Enteignung der Tänzerrente für ehemalige Ballettmitglieder der DDR.

Sie gehören beide zur Interessengemeinschaft ehemaliger Balletttänzer der DDR, haben rund 20 Jahre in Ihrem Beruf gearbeitet und die Tänzerrente bis zum 31. Dezember 1991 erhalten. Wer bekam diese berufsbezogene Zuwendung in der DDR?
Hadmut Fritsche: Alle Tänzerinnen und Tänzer, die 15 Jahre getanzt haben, bekamen diese Rente, das waren zwischen 200 und 500 DDR-Mark, je nach Gage der fünf besten Jahre.
Monika Ehrhardt-Lakomy: Der Tänzerberuf war in der DDR ein hochgeschätzter Ausnahmeberuf. Die Rente wurde auch deshalb gezahlt, weil man wusste, dass niemand nach Ende der Tänzerkarriere einen gleichwertigen Aufstieg in einem neuen Beruf starten konnte.
Hadmut Fritsche: Die meisten haben danach körperliche Beschwerden. Für viele unserer Kolleginnen und Kollegen war die Rente das regelmäßige Einkommen im Monat, das mit Honoraren für Tanzunterricht aufgebessert wurde. Anfang 1992 fielen sowohl die Rente als auch die Kulturhäuser mit ihren Tanzgruppen weg.

Mit welcher Begründung wurde diese Rente nicht mehr gezahlt?
Monika Ehrhardt-Lakomy: Die Gründe sind fadenscheinig und eindeutig politisch motiviert. Es gab den Beruf Tänzerin/Tänzer in der alten BRD nicht. Tanzen war nur eine Tätigkeit.  Hadmut Fritsche: Eine Kollegin wurde mal auf dem Arbeitsamt gefragt: »Tänzerin sind Sie? Und was machen Sie tagsüber?« Das heißt, viele wussten und wissen bis heute nicht, wie hoch qualifiziert unsere künstlerische Ausbildung war. Zum anderen wurde behauptet, dass es diese Versorgungsleistung in der BRD nicht gab und wir damit nach der Wende privilegiert gewesen sind. Alles Quatsch. Es gibt die Bayerische Versorgungskammer, in die gemeinschaftlich die Vertragstheater und die Tänzer einzahlen. Damit sind die Kolleginnen und Kollegen nach Ende der Bühnenkarriere versorgt. Leider gab es auch keine Solidarität der Tänzer in den alten Bundesländern mit uns.

Das heißt, der Gesetzgeber hätte die rund 1600 Tänzerinnen und Tänzer in die Zusatzversorgung für Bühnenkünstler rückwirkend aufnehmen können?
Hadmut Fritsche: Richtig! Stattdessen hat man uns ab 1. Januar 1992 Eigentum gestohlen. Rente, das hat das Bundsverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil 1999 entschieden, ist Eigentum.
Monika Ehrhardt-Lakomy: Seit 18 Jahren kämpfen wir als Interessengemeinschaft gegen dieses Unrecht, klagen durch alle Instanzen. Eine Richterin in Thüringen hat uns sogar recht gegeben. Danach durfte sie ihr Urteil nicht mehr schriftlich ausfertigen, sie wurde suspendiert. Lothar de Maiziere, der letzte Ministerpräsident der DDR, hat sich bereiterklärt, für uns auszusagen. Er wurde nie von einem Gericht als Zeuge vorgeladen.

Sie sind bei Politikern aller Fraktionen im Bundestag und in Landtagen »Klinken putzen« gegangen für Ihr Anliegen. Was sagen Sie nun zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung?
Hadmut Fritsche: Das kann man gar nicht beschreiben. Ex-Post-Chef Zumwinkel hinterzog Steuern und bekommt trotzdem eine 20-Mio.-Euro-Pension. Diese Summe hätte gereicht, um die noch lebenden rund 500 Mitglieder unserer Interessengemeinschaft bis ans Lebensende zu versorgen.
Monika Ehrhardt-Lakomy: Ich kenne einige MdB von SPD und CDU, die sich für uns einsetzen wollten und  nun umgefallen sind. Umso mehr hoffe ich, dass DIE LINKE in der nächsten Legislatur wieder einen Antrag für uns einbringt. Aufgeben werden wir nicht!
Interview: Marion Heinrich