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Fachkräftedebatte vom Kopf auf die Füße stellen

Rede von Sabine Zimmermann,

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Stellen wir die Sache mit dem Fachkräftemangel einfach mal vom Kopf auf die Füße: Es gibt keinen generellen Fachkräftemangel. Die BA selbst sagt: Wir haben zwar Fachkräfteengpässe, aber keinen Mangel.

Ja, in manchen Branchen gibt es Engpässe, zum Beispiel in der Pflege, in der Gastronomie und im Metall- und Elektrobereich. Gutes Personal gibt es eben nicht zum Nulltarif. Wer Fachkräfte will, der muss sie auch ausbilden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer das nicht tut, der braucht hier auch nicht zu jammern. Wer gutes Personal will, der muss es auch ordentlich bezahlen. Ich hätte mir gewünscht, dass in dem Bericht der Bundesregierung dazu etwas gestanden hätte, aber leider: Fehlanzeige!

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich kenne ich auch Betriebe, die sagen – Herr Schiewerling, Sie gucken mich so skeptisch an –: Wir bekommen nicht die Leute, die wir haben möchten. – Hier bedarf es natürlich einer gründlichen Analyse. Auf den Punkt gebracht gibt es zwei Felder, die wir einfach nicht aus den Augen lassen dürfen:

Erster Punkt. Wir haben ein enormes Arbeitskräftepotenzial, das nicht genutzt wird. 1,3 Millionen Erwerbslose haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Jährlich finden aber nur 69 000 Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Ziel eines anerkannten Berufsabschlusses statt. 256 000 Jugendliche – die Tendenz ist steigend – sind nach der Schule in Überbrückungsmaßnahmen geparkt. Das müsste Ihnen eigentlich auch zu denken geben.

Frau Nahles, ich kann Ihnen nicht zustimmen, wenn Sie sagen, dass uns die Menschen für die Arbeit ausgehen. Das widerspricht sich. Wir alle hier wissen, dass Qualifizierung das A und O ist, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Ministerin Nahles, ich muss Sie schon fragen, warum Sie an dem arbeitsmarktpolitischen Kahlschlag der letzten Jahre festhalten, wenn Ihnen die Fachkräfte so wichtig sind. Sie haben nicht genug Geld für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt und feiern hier die schwarze Null für Ihren Haushalt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht!)

sagen aber nicht, dass das auf Kosten der Bildung für die Zukunft geht. Wir als Linke sagen: Wir sind nicht bereit, dies zu akzeptieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele Frauen in Teilzeit würden unter anderen Rahmenbedingungen länger arbeiten wollen. Damit würden sie endlich auch den Teufelskreis aus zu geringen Verdiensten und Altersarmut durchbrechen können. Nach wie vor fehlen aber ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten, und es gibt viel zu wenig Unterstützung für die Pflege von Angehörigen.

Die Regierung lamentiert hier, mehr nicht. Das ist für die Linke nicht akzeptabel. Zu all diesen Punkten stehen in Ihrem Bericht keine konkreten Maßnahmen, die wirklich wirkungsvoll sind.

Ich kann Ihnen sagen, was die IG Metall zu den bisherigen Bestrebungen gesagt hat – ich zitiere –:

Die Konzepte der Bundesregierung zur Fachkräftesicherung verlieren sich im Klein-Klein.

Weiter sagt sie:

Und viele Arbeitgeber können sich dazu nicht von ewig gleichen Denkweisen loseisen: Länger arbeiten, schneller arbeiten, härter arbeiten.

Damit bin ich schon bei Punkt zwei. Wer von Fachkräftemangel redet, muss auch von den Arbeitsbedingungen sprechen. Es ist doch kein Zufall, dass es vor allen Dingen in den Pflege- und Gesundheitsberufen und in der Gastronomie Fachkräfteengpässe gibt. Dort wird oft rund um die Uhr mit enormen Arbeitsbelastungen und für eine geringe Entlohnung gearbeitet. Es ist also kein Wunder, dass diese Berufe nicht attraktiv sind und viele Beschäftigte schnell wieder ausscheiden.

Hier sind einfach auch die Unternehmen in der Pflicht, etwas zu ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach einer Umfrage ist nur jeder fünfte Betrieb mit Fachkräfteengpässen bereit, die Löhne für die Beschäftigten zu erhöhen, und nur jeder achte Betrieb will die Arbeitszeiten anders gestalten.

Ich fasse zusammen: Wieder liegt ein Bericht der Regierung vor, wieder geht er aus unserer Sicht am Thema vorbei. Den hätten Sie sich eigentlich sparen können. Schade ums Papier!

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Schade um unsere Zeit!)