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»Die Taliban hassen Popmusik«

Periodika,

Shekib Mosadeq ist Rock- und Popmusiker aus Afghanistan. Seine Songs werden von den Menschen geliebt, von den Machthabern verachtet.

Sie sind afghanischer Pop-Musiker, leben aber in Deutschland, in Neuruppin. Warum haben Sie Ihr Land verlassen?

Wir waren eine ganze Gruppe von Musikern. Wir haben alle das Land verlassen. Es wurde zu gefährlich, in Afghanistan Musik zu machen. Wir haben häufig kleine Konzerte gegeben, ganz spontan. Zum Beispiel an der Universität Herat oder einfach auf der Straße. Auch bei Veranstaltungen gegen Korruption. Klar waren wir unbequem. Es ging immer gegen die Warlords, gegen die Mullahs, gegen die Heroinmafia. Es gab immer häufiger Übergriffe auf uns. Die Taliban hassen Popmusik. Wir haben eben nicht nur einen Feind gehabt, sondern mehrere. Aber ich hatte auch Angst, dass meine kleine Tochter entführt wird, um mich unter Druck zu setzen. Die Angst wurde einfach immer größer. Wir hatten keine Chance mehr, als Band aufzutreten.

 

Afghanistan ist ein Kriegsgebiet, wie wird man dort überhaupt Rock- und Popmusiker?

Eigentlich kann man dort kein Musiker werden. Jedenfalls nicht offiziell. Es gibt keine Universität, keine Schule, wo man Musik studieren könnte. Ich habe mir alles selbst erarbeitet. Unter anderem über das Internet, und dann habe ich immer wieder mit Freunden gespielt.

 

Gab es auch öffentliche Auftritte?

Öffentlich durften wir nur auftreten, wenn humanitäre Gründe dahinter standen. Zwei solcher Konzerte habe ich in der Stadt Herat organisiert, also im westlichen Teil Afghanistans. Da waren etwa 1500 Leute. Es war ein Benefizkonzert für behinderte Kinder und für Waisenkinder. Die Einnahmen wurden für diese Kinder gespendet. Das zweite Konzert war für ein herzkrankes Kind. Wir haben für dieses Kind 15.000 Dollar erspielt, damit es im Ausland operiert werden konnte.

 

Konnten Sie von Ihrer Musik auch leben?

Nein, kein Künstler in Afghanistan kann das. Egal, was er macht. Alle Künstler haben noch eine andere Arbeit, mit der sie ihre Familie ernähren.

 

Und was haben Sie gemacht?

Ich bin Sozialarbeiter, habe für eine holländische Nichtregierungsorganisation gearbeitet. Wir haben uns um kriegsgeschädigte Kinder gekümmert. Trotzdem blieb die Rock- und Popmusik meine eigentliche Leidenschaft.

 

Existiert denn so etwas wie eine heimliche Szene in der großen Stadt Herat?

Es gibt viele Jugendliche, die interessiert sind, sich einmischen und sich über diese moderne Musik artikulieren möchten. Aber es gibt überhaupt keine staatliche Unterstützung. Im Gegenteil. So eine Jugendkultur wird verhindert.

 

Was erzählen Sie mit Ihren Liedern und Balladen?

Ich schreibe fast alle Texte selbst, komponiere auch die Musik dazu. Kritische Texte natürlich. Ich singe vom Alltag in Afghanistan, vom Krieg, von den Ungerechtigkeiten, aber auch von Tabus. Ein Text zum Beispiel hat sich wie im Lauffeuer verbreitet. Da singe ich von Prostitution in unserem Land, von den Mädchen und Frauen, die da hineingezwungen und verachtet werden.

 

Und was hoffen Sie, jetzt in der Fremde für Afghanistan tun zu können?

Ich will unbedingt weiter als politischer Musiker arbeiten. Ich werde nicht aufgeben, sondern weiter kritisch von und über mein Land singen. Denn das, was ich gesehen und erlebt habe, hat gar nichts mit dem zu tun, was über Afghanistan erzählt wird. Das ist wie Tag und Nacht. Ich war jetzt schon zu Konzerten in Berlin, Hamburg und in Oslo. Und mein Wunsch ist es, gemeinsam mit deutschen Künstlern aufzutreten. Da könnten wir in Deutsch, Englisch und Afghanisch unsere Stimme erheben.

 

Interview: Gisela Zimmer

 

Shekib Mosadeq kommt aus der Provinz Herat, gelegen im westlichen Teil Afghanistans. Er lebte in der gleichnamigen Haupt- und Universitätsstadt Herat. Mosadeq ist 30 Jahre alt. Shekib Mosadeq gilt in seinem Land als der afghanische »King of Pop«. Zurzeit lebt er in Neuruppin. Auf YouTube sind seine Musikvideos und Konzerte zu finden. Weitere Informationen zum Sänger und Songs zum Herunterladen auf: www.afghan123.com