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Bundesregierung hält an Berufsverboten fest

Pressemitteilung von Nele Hirsch, Ulla Jelpke,

Zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur gegenwärtigen und früheren Berufsverbotspraxis (BT-Drs. 16/6128) erklären die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke, und die bildungspolitische Sprecherin, Nele Hirsch:

Die Bundesregierung hält Berufsverbote für politisch unliebsame Bewerber im Öffentlichen Dienst weiterhin für gerechtfertigt. Das ist die wesentliche Botschaft ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN zur gegenwärtigen und früheren Berufsverbotspraxis.

Der so genannte Radikalenerlass war 1972 von den Regierungen von Bund und Ländern eingeführt worden. Bis 1991 wurden gegen rund 1.100 Personen Berufsverbote ausgesprochen, 130 wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Betroffen waren insbesondere Mitglieder kommunistischer Organisationen und Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung. Eine neue Welle von Berufsverboten folgte nach der Wiedervereinigung gegen ehemalige Angehörige von Parteien, Massenorganisationen und Behörden der DDR.

1995 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) in Straßburg im Fall einer wegen ihres Engagements in der DKP aus dem Schuldienst entlassenen Beamtin entschieden, dass der Radikalenerlass gegen die Menschenrechte auf Meinungs- und Koalitionsfreiheit sowie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstößt. Für die Bundesregierung ist das Urteil aber bis heute kein Grund, den Radikalenerlass abzuschaffen. Es handle sich bei dem Urteil um einen Einzelfall, daher bestehe auch weiterhin „keine Veranlassung, allgemeine Konsequenzen aus dem Urteil des EGMR vom 26. September 1995 im Fall Vogt zu ziehen“, so die Bundesregierung in ihrer Antwort. Im Klartext: Berufsverbote bleiben ein Damoklesschwert zur Disziplinierung politisch unliebsamer Beamter und Bewerber zum öffentlichen Dienst.

Vergangene Woche wies das Darmstädter Verwaltungsgericht die hessische Schulbehörde an, die Bewerbung des Lehrers Michael Csaszkoczy erneut zu prüfen. Wegen seines Engagements in einer antifaschistischen Initiative hatten Hessen und Baden-Württemberg Csaszkoczys Übernahme in das Beamtenverhältnis verweigert. Die von der Bundesregierung als Konsequenz aus dem Straßburger Urteil vorgesehene Einzelfallprüfung hatte nicht stattgefunden.

Berufsverbote stellen ein trauriges Relikt des kalten Krieges da. Diese autoritären und europaweit einzigartigen Maßregelungen gegen linke und antifaschistisch engagierte Bürgerinnen und Bürger gehören endlich in die Mottenkiste der Geschichte.