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Zwangsprostitution - Strafrechtsverschärfungen gehen am Problem vorbei.

Rede von Karin Binder,

Die Rechte der Zwangsprostituierten müssen gestärkt werden. Im Mittelpunkt muss die Situation der Opfer stehen. Dazu sind wir aus humanitären Gründen verpflichtet. Vor und während der Fußball-WM, wo das Problem besonders akut ist, ebenso wie in Zukunft. Wenn sich unser Land als Gastgeber und Freund von Menschen aus aller Welt präsentiert, dann dürfen wir gerade Menschen in Not nicht ausschließen. Karin Binder in der Debatte auf Antrag der LINKEN - Gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution - Rechtsstellung der Opfer stärken:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, am 9. Juni hat das lange Warten für viele Fußballfans ein Ende, der Anpfiff zur Fußball-WM und die Spiele können beginnen. Hinter den Kulissen solcher Großveranstaltungen müssen wir jedoch mit Begleiterscheinungen übelster Art rechnen: Menschenhandel und Zwangsprostitution. Dass diesem Thema endlich die notwendige Aufmerksamkeit zuteil wird, ist ein Verdienst vieler Frauenverbände- und Initiativen, die im Vorfeld der WM Kampagnen gegen die Zwangsprostitution gestartet haben, inzwischen sogar mit Unterstützung des DFB. Die Wege der Frauen in die Zwangsprostitution gleichen sich. Sie werden meist ohne große Zukunftsaussichten in ihren osteuropäischen Heimatländern angeworben, um in Deutschland zu arbeiten. Die Reise endet abrupt. Den Frauen werden die Papiere abgenommen, oft werden sie vergewaltigt, misshandelt und in sklavenähnlichen Verhältnissen gnadenlos ausgebeutet. Aus dieser entmenschlichten und entrechteten Situation schaffen es nur die wenigsten Frauen auszubrechen. Schaffen sie es doch, haben sie auch bei uns kaum Rechte. Unser Aufenthaltsgesetz lässt den betroffenen Frauen nur gerade mal vier Wochen Zeit, um darüber nachzudenken, ob sie gegen ihre Peiniger, die Menschenhändler, aussagen wollen oder nicht. Ringen sie sich durch auszusagen, bekommen sie ein Bleiberecht, aber gerade mal für die Dauer des Strafprozesses. Entscheiden sie sich dagegen, werden sie sofort ausgewiesen. Im Zentrum des Interesses steht bislang nicht der Schutz der Opfer sondern ihre strafrechtliche Verwertbarkeit. Das wollen und das müssen wir ändern, meine Damen und Herren! Diese Frauen haben massive Grausamkeiten erlebt, physisch und psychisch, sind häufig traumatisiert, und leben oft in Angst um ihre Familien, die in der Heimat den Repressalien der Schlepper ausgeliefert sind. Wir fordern deshalb, dass die vierwöchige Bedenkfrist auf sechs Monate verlängert wird. Den Opfern dieser schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen soll aus humanitären Gründen ein Bleiberecht eingeräumt werden und zwar unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft, sofern sie in Deutschland bleiben möchten. Sie sollen das Recht haben, ihre Kinder und Angehörigen nach Deutschland zu holen. Nur so haben sie die Möglichkeit, eine neue Perspektive für ihr Leben aufzubauen. Auch mit Blick auf die Bekämpfung der Menschenhändler wäre diese Regelung sinnvoll: Die gewonnene Sicherheit für das eigene Leben und das ihrer Familien erhöht die Aussagebereitschaft der Frauen. Darüber hinaus müssen wir den Opfern Zugang zu medizinischer und psychologischer Betreuung gewährleisten. Wir fordern deshalb dringend, ausreichend Therapieplätze zur Verfügung zu stellen, damit die Opfer professionelle Hilfe bei der Verarbeitung ihrer Traumata erhalten. Außerdem sollen die Frauen in Einzelunterkünften untergebracht werden und durch den Erhalt von Arbeitslosengeld II auch materiell besser gestellt werden. Wir möchten, dass die betroffenen Frauen eine Arbeitserlaubnis erhalten, ihnen Sprachkurse und Ausbildungsplätze angeboten werden. Ein strukturierter und geregelter Tagesablauf würde zur Stabilisierung und Normalisierung ihrer Situation beitragen. Zum Schluss möchte ich ihre Aufmerksamkeit noch auf die Freier richten. Initiativen aus der CDU und dem Bundesrat, die Bestrafung der Freier einführen wollen, kann ich nicht nachvollziehen. Ich gehe davon aus, dass wir den Frauen in diesen Notsituationen dann helfen, wenn wir die Freier für die Problematik der Zwangsprostitution sensibilisieren. Denn, liebe KollegInnen, häufig sind die Freier die einzigen Menschen, die Zugang zu den Frauen haben - und die bei einem Verdacht Strafanzeige stellen können. Wer Freier jedoch kriminalisiert, stößt auch diese Tür zu und verschlechtert somit die Chancen der Frauen aus dieser Situation heraus zu kommen! Fakt ist: Strafrechtsverschärfungen gehen am Problem vorbei. Im Mittelpunkt muss die Situation der Opfer stehen. Wir müssen ihre Rechte stärken. Dazu sind wir aus humanitären Gründen verpflichtet. Vor und während der Fußball-WM, wo das Problem besonders akut ist, ebenso wie in Zukunft. Wenn sich unser Land als Gastgeber und Freund von Menschen aus aller Welt präsentiert, dann dürfen wir gerade Menschen in Not nicht ausschließen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit