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Zwangsprivatisierung der Bahn stoppen - Osten nicht weiter abhängen!

Rede von Roland Claus,

Rede von Haushaltsausschussmitglied Roland Claus, der auch als Ost-Koordinator der Fraktion DIE LINKE tätig ist, in der Debatte zum Haushalt 2008 des Ministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und gleichzeitigen Ostbeauftragten der Bundesregierung, Wolfgang Tiefensee, am 13.09.2007

Roland Claus (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Wir reden hier in der Tat über den bedeutendsten Investitionshaushalt des Bundes. Darin steht sehr viel Vernünftiges, das die Unterstützung meiner Fraktion erfahren wird. Das sagt aber natürlich noch nichts über die Arbeit Ihres Ministeriums.

(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich reden wir hier über Steuergelder, und die haben Sie ja nicht mit dem Cello eingespielt, Herr Bundesminister - bei allem Respekt. Solange Sie über die größte Gießkanne dieser Republik verfügen, müssen Sie sich von uns und der Öffentlichkeit natürlich über das Wachstum der Pflanzen befragen lassen. Das ist alles andere als Majestätsbeleidigung.
Deutschland, sagte die Bundeskanzlerin gestern, habe Grund zur Zuversicht. Ihr Ostbeauftragter bestätigte das hier. Ich will Ihnen zunächst sagen: Für sehr viele Menschen - gerade in den neuen Bundesländern, aber nicht nur dort - ist die Lebenswirklichkeit eine andere. Solange es im Osten eine verstetigt doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie im Westen gibt, sich die Abwanderung - vor allem junger qualifizierter Frauen - fortsetzt und Löhne, Gehälter und Renten zum Teil unter dem Existenzminimum gezahlt werden, ist dort kein sozialer Frieden in Sicht.
Minister Tiefensee meint nun - das ist gewissermaßen sein erklärtes Erfolgsrezept -, dem Osten zu nutzen, indem er den Wessis die Sorgen, die sie mit den Ostdeutschen haben, weglächelt. „Don’t worry, be happy“ von Festvortrag zu Festvortrag. Manche meinen, Tiefensee macht dabei eine gute Figur. Die Ostdeutschen fragen sich allerdings, warum er nicht lieber etwas für sie tut.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb komme ich jetzt zu einigen Haushaltsposten im Einzelnen. Ein entscheidendes Kapitel in diesem Etat heißt - ich hoffe, das wird noch eine Weile so bleiben -: „Eisenbahnen des Bundes“. Wir geben hier viele Steuergelder für die Bahn aus. Durch das Kapitel „Eisenbahnen des Bundes“ wird aber die Frage aufgeworfen, wer hier der Bund ist. Inzwischen redet eine Volkspartei, nämlich die SPD, von Volksaktien bei der Bahn. Nebenher gesagt: Diese Volkspartei wird in der Heimat von Wolfgang Tiefensee inzwischen bei 8 Prozent gehandelt. Herr Minister, Sie meinen immer noch, das als eine kluge Politik verkaufen zu können, die bei den Leuten ankommt. Ich habe hier doch meine Zweifel.
Wenn jetzt also über Volksaktien nachgedacht wird, dann muss doch die Frage gestattet sein, warum das Volk Aktien für Sachen kaufen soll, die ihm ohnehin gehören. Warum sollte das einen Sinn machen?

(Beifall bei der LINKEN)

Statt über Volksaktien zu debattieren, sollten wir die Bahn lieber beim Volk, also beim Bund, belassen und uns um mehr Qualität kümmern, also beispielsweise auch den Zustand der Bahnhöfe verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Im nächsten Jahr sollen die Würfel in Sachen Bahnprivatisierung fallen. Die Börse soll es richten. Wenn Ihnen die Ereignisse um die IKB und die Sächsische Landesbank noch nicht die Augen geöffnet haben, dann muss man es wohl noch einmal sagen: Wer die Bahn heute den Hedgefonds aussetzt, der treibt sie in ein solches Fahrwasser wie das, in dem auch die Landesbank in Sachsen untergegangen ist.

(Beifall bei der LINKEN - Uwe Beckmeyer (SPD): Hedgefonds? Das ist doch wohl unglaublich!)

- Seitdem Ihnen Herr Müntefering hilfreicherweise den Spruch mit den Heuschrecken zugedacht hat, denken Sie wohl, dass Sie aus dem Problem herauskommen. Natürlich wird eine solche Privatisierung, wie Sie sie angedacht haben, all die Probleme mit sich bringen. Davor warnen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei gibt es im Hause Tiefensee doch auch blitzgescheite Erkenntnisse. Er hat es gegenwärtig mit einem sehr peinlichen Vorgang zu tun: Der Neubau seines Ministeriums muss saniert werden. Der oberste Bauherr des Landes sitzt in einem schon wieder sanierungsbedürftigen Haus.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dafür kann er aber nichts!)

Sie haben seinerzeit die Bauaufsicht aus der Hand gegeben, und die Versicherung zahlt nur einen Teil.
Nun lese ich im Bericht des Ministeriums über diesen Vorgang wörtlich:
Dieses Modell einer sehr weitgehenden Verlagerung der Bauherrenaufgaben von der staatlichen Bauverwaltung auf private Büros hat sich nicht bewährt.
Herr Bundesminister, wenn sich ein solches Vorgehen, eine solche Privatisierung, nicht bewährt hat, könnten Sie nun die richtige Lehre ziehen und diese Logik auch bei der Bahn anwenden. Stattdessen haben Sie einen Verkauf unter Wert vor. Mit Aurelis haben Sie das jetzt schon vollzogen. Die Risiken sollen beim Staat bleiben, die Gewinne werden privatisiert. Jetzt ist vielleicht - ich weiß, dass nicht nur in meiner Fraktion so gedacht wird - die letzte Chance, den Zug dieser Zwangsprivatisierung der DB AG noch anzuhalten. Nutzen wir diese Chance!

(Beifall bei der LINKEN)

Stichwort Transrapid. Als Ingenieur bin ich immer den Verlockungen der neuen Technik ausgesetzt. Wenn aber heute - wir leben nicht im 19. Jahrhundert - eine Technologie 30 Jahre lang im Angebot ist und keine Nachfrage erfährt, dann stimmt damit etwas nicht.

(Zuruf des Abg. Uwe Beckmeyer (SPD))

Dann haben wir es mit einer Sackgasse zu tun, aus der wir herauskommen sollten, bevor wir 1 Milliarde Euro verpulvern.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich würde mir natürlich wünschen, dass das noch in der Amtszeit von Edmund Stoiber geschieht, weil er das wahrscheinlich wieder in unnachahmlicher Weise kommentieren würde.

(Heiterkeit)

Stichwort Maut. Es ist schon vergessen, dass dem Bund bei der Einführung etliche Milliarden Euro entgangen sind. Wir reden jetzt über Schiedsverfahren. Im Haushalt 2008 ist aber noch immer kein Geld eingestellt, das als Ergebnis aus diesen Schiedsverfahren erwartet wird.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Da kommt ja auch nichts!)

Das Mindeste an dieser Stelle wäre, dass der Bund die Konsequenzen zieht und diejenigen Unternehmen, die am Schiedsverfahren beteiligt sind, von Zuwendungen des Bundes im Jahre 2008 ausnimmt. Das könnten wir sehr wohl tun.
Stichwort Galileo. Dieses Projekt wird hier vom Minister gefeiert. Ich sehe aber wirklich keinen Grund dafür. Wie staatsnahe Monopolisten mit Regierung und Parlament umgehen, hat - nebenbei gesagt - mit Marktwirtschaft nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist schon reichlich obskur, dass Ihnen ein Sozialist das dauernd erklären muss.
Stichwort Gebäudesanierungsprogramm. Hier stehen wir mit vielen Kolleginnen und Kollegen nicht auf der Bremse, sondern auf dem Gaspedal. Seit 2006 fordern wir eine Erhöhung der Mittel für dieses Programm. Sie haben unsere Anträge im Parlament immer abgelehnt.

(Uwe Beckmeyer (SPD): Es ist gut, dass Sie zugeben, dass Sie auf der Bremse stehen!)

Aber hinterher haben Sie sie doch umgesetzt, indem Sie die Mittel für das Gebäudesanierungsprogramm erhöht haben. Wenn es den kleinen und mittelständischen Unternehmen und der Umwelt nützt, können wir mit diesem Verfahren gerne so weitermachen.
Noch einige Worte zur Lage in den neuen Bundesländern. Es naht wieder der 3. Oktober, und es nahen die Festreden. Fakt ist: Die Prognos AG - das ist nun wirklich keine linke Filiale - hat einen Zukunftsatlas 2007 erstellt; das ist ein Ranking aller Landkreise und kreisfreien Städte der gesamten Republik. Unter den 138 Städten und Kreisen, die beste bis gute Zukunftschancen haben, kommen nur vier aus dem Osten.

(Hans-Joachim Hacker (SPD): Und die Ursache? Nennen Sie doch mal die Ursache!)

Auf der anderen Seite befinden sich unter den 49 Städten und Kreisen, für die ein hohes Risiko festgestellt wird, 48 aus dem Osten.
Zu diesem Punkt hat damals im Auftrag der Bundesregierung die Dohnanyi-Kommission Vorschläge gemacht. Diese Vorschläge finden offenbar beim für den Aufbau Ost zuständigen Minister kein Interesse mehr. Sie liegen quasi brach.
Ein letzter Punkt, Herr Minister. Ich glaube, wir werden hier noch gemeinsam die Situation erleben, dass wir uns endlich entschließen, die Bundesregierung komplett in Berlin tätig werden zu lassen. Auch Ihre Beschäftigten, Herr Bundesminister, sind nach wie vor zu 56 Prozent am Standort Bonn vertreten. Seien Sie sich hier Ihrer Vorreiterrolle bewusst und verändern Sie die Situation!
Meine Damen und Herren, der bedeutendste Investitionshaushalt des Bundes ist selbstverständlich eine Einladung an die Opposition im Deutschen Bundestag, nämlich eine Einladung zu Veränderungen. An diesen Veränderungen wollen wir gerne mitwirken.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)