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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Axel Troost,

Der vorliegende Gesetzentwurf widmet sich der Ausbildung von Steuerbeamtinnen und ‑beamten. Er setzt sich das Ziel, die Funktionsfähigkeit der Steuerverwaltung sicherzustellen und „die Grundlage für die bestmögliche Ausbildung der Steuerbeamtinnen und Steuerbeamten auch unter den gegebenen pandemiebedingten Umständen“ zu schaffen.

Das ist leider sehr schöngefärbt. Wie generell im Bildungsbereich hat auch die Ausbildung der Steuerbeamtinnen und ‑beamten unter den Infektionsschutzmaßnahmen gelitten. Unterricht konnte nicht mehr in Präsenz durchgeführt werden, auf alternative Unterrichtsformen waren die Akademien längst nicht eingestellt. Auch die berufspraktischen Teile der Ausbildung konnten nicht in der gewohnten Form durchgeführt werden.

Nun wollen die Auszubildenden, die dafür nichts konnten, ihre Abschlüsse in der ursprünglich vorgesehenen Frist erreichen. Die Steuerverwaltungen benötigen die Beamtinnen und Beamten, weil sie ohnehin schon viel zu wenig Personal haben. Aktuelle Schulabgängerinnen und Schulabgänger wollen ebenfalls ausgebildet werden.

Die laufenden Ausbildungen so lange zu strecken, bis die verpassten Inhalte nachgeholt sind, würde daher viele neue Probleme schaffen. Daher sollen jetzt Abstriche bei der Beamtenausbildung gemacht werden. Was im Einzelnen geschehen wird, lässt der Gesetzentwurf offen. Er delegiert die Entscheidungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens an die obersten Landesbehörden; diese sollen die beeinträchtigten Ausbildungsabschnitte und Prüfungen anpassen können. Das geht bis dahin, dass auf bestimmte Ausbildungs- und Lerninhalte und auf Teilprüfungen verzichtet werden kann. Auch der hilfsweise Einsatz in Gesundheitsämtern soll auf die Ausbildungszeit angerechnet werden können.

Machen wir uns nichts vor: Auch wenn solche Maßnahmen in einer Notsituation getroffen werden und die Ultima Ratio sind, bilden sie für die Steuerverwaltungen eine schwere Hypothek. Die Steuerverwaltungen waren schon vor Corona in keinem guten Zustand; sie wurden über viele Jahre als Steinbruch für Sparvorschläge genutzt. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Personal, und die Ausstattung, etwa mit IT, ist längst nicht auf der Höhe der Zeit. Das alles hat unschöne Folgen für die Steuergerechtigkeit und die öffentlichen Kassen.

Wie mit den neuen Vorgaben die Einheitlichkeit der Steuerbeamtenausbildung gewahrt werden soll, steht in den Sternen. Wir befürchten eine Verfestigung oder gar Verschärfung des mangelnden Steuervollzugs.

Es ist klar, dass in der gegebenen Notsituation die Ausbildung und Prüfung von Steuerbeamtinnen und ‑beamten flexibler gehandhabt werden muss. Das ist uns aber zu wenig. Mit dem Gesetzesvorhaben hätte die Bundesregierung die Möglichkeit gehabt, auf einheitlichere Standards zu dringen und diese im Wege einer Verordnung auch durchzusetzen. Mit der Delegierung der Entscheidungsbefugnisse an die Länder macht sich die Bundesregierung einen schlanken Fuß und verpasst wieder einmal eine Gelegenheit, auf einen wirksamen und gerechten Steuervollzug hinzuarbeiten.

Wie gefährlich dieser Schritt einer Verlagerung der Lehr- und Lerninhalte vollständig auf die Bundesländerseite ist, zeigt sich auch angesichts der gegenwärtigen Entscheidungen des Deutschen Bundestages im steuerpolitischen Bereich. Wir beraten gegenwärtig das Steueroasen-Abwehrgesetz, das Verlagerungen von Gewinnen in Steueroasen eindämmen will. In der Anhörung wurde deutlich, dass dieses Ansinnen nur umsetzbar ist, wenn ausreichend zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diese zusätzliche Aufgabe zur Verfügung stehen. Und diese Beschäftigten brauchen natürlich eine solide Ausbildung mit bundespolitischer Gesamtsicht, ohne bundeslandspezifische Sonderrollen. Wenn mit der neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung nun der Bund die Schaffung einheitlicher Regelungen aus der Hand gibt, droht ein disparates Ausbildungssystem. Die einheitliche Steuerfindung und ‑erhebung wird zukünftig noch schlechter ausfallen, als sie jetzt schon ist. Die notwendigen coronabedingten Anpassungen führen hiermit zu einer dauerhaften Fehlentwicklung.