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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Niema Movassat,

In rechtsterroristischen Kreisen werden sogenannte Feindeslisten erstellt und kursieren in entsprechenden Verbrecherkreisen, die zu Mord und Totschlag bereit sind. Viele Menschen fühlen sich zu Recht bedroht, wenn ihr Name auf einer solchen Liste auftaucht. Auch Walter Lübcke stand auf einer solchen Liste und wurde dann von einem rechtsextremen Terroristen ermordet. Diese Feindeslisten sind brandgefährlich und vergiften das Klima. Doch der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung dieser Feindeslisten ist blinder Aktionismus und hilft den Betroffenen leider nicht. Vielmehr gefährdet er journalistische Arbeit und antifaschistische Recherche. Dadurch hilft dieser neue Straftatbestand sogar eher rechten Terroristen und Nazis, als dass er sie bekämpft.

Denn ihr Gesetzentwurf wirft auf Tatbestandsseite die Frage auf, ob Recherchen von Journalistinnen und Journalisten zu kontroversen Personen der Öffentlichkeit darunterfallen. Der Straftatbestand schreibt nur fest, dass die Verbreitung von personenbezogenen Daten, die dazu geeignet sind, dass die betroffene Person in die Gefahr eines Verbrechens gebracht wird, strafbar wird. Der Strafrechtler Sebastian Golla stellt deshalb völlig zu Recht fest, dass beispielsweise auch die Berichterstattung über das Auto einer Person des öffentlichen Lebens dazu führen kann, dass später eine Sachbeschädigung an dem Auto ausgeübt wird und die Berichterstattung somit den Straftatbestand erfüllt. Auch investigative Recherchen führen im Ergebnis zur Verbreitung personenbezogener Daten von Menschen, die immer auch Verbrechern bei der Ausübung möglicher Straftaten in die Hände spielen können.

Der Entwurf richtet sich zudem gegen Antifaschisten. In antifaschistischen Kreisen passiert oft das, was die Polizei leider nicht immer leistet: Recherchen zu gesuchten rechtsextremen Straftätern. Es ist auch nicht selten vorgekommen, dass derartige Recherchen dazu geführt haben, dass gesuchte Tatverdächtige später dingfest gemacht werden konnten. Auch in diesen Fällen findet natürlich eine Verbreitung von personenbezogenen Daten statt. Das wird nun absurderweise gleichgestellt mit der Erstellung von Feindeslisten durch Nazis. Man kann doch bitte derartige verbrecherische Nazi-Feindeslisten nicht gleichstellen mit antifaschistischer Recherche.

Es ist eine unhaltbare Gleichsetzung von völlig unterschiedlichen Sachverhalten und Motivationen der Handelnden, aber sie alle werden zu Tätern nach diesem Gesetz. Es muss entscheidend auf den subjektiven Willen, also die Absicht der Personen ankommen, die Feindeslisten erstellen bzw. personenbezogene Daten verbreiten. Im Strafrecht ist das bekanntlich in aller Regel auch ein Tatbestandselement: der subjektive Vorsatz, also dass es nicht nur im Ergebnis zu einer Straftat kommen kann oder gekommen ist, sondern die handelnde Person muss das auch so beabsichtigt haben. Auf den muss es auch bei diesem Tatbestand ankommen. Bisher wird nur auf die Geeignetheit einer Handlung abgestellt. Dadurch wird dieser Gesetzentwurf zu einem ausufernden Tatbestand.

Weil der Straftatbestand ausschließlich auf die Geeignetheit der Verbreitung von personenbezogenen Daten abstellt, ist der Entwurf abzulehnen. Die in vielen Feindeslisten auftretende Antifaschistin Katharina König-Preuss etwa merkt deshalb völlig zutreffend an, dass es sich bei diesem Gesetz „konsequent durchgedacht … sogar um ein neues Verfassungsschutz-Schutzgesetz“ handele. Es verhindere nicht nur unabhängige Recherche und öffentliche Aufklärung, „sondern der Staat – qua Gesetz der Verfassungsschutz – verbleibt als einzige Instanz, die ohne das Damoklesschwert der Strafverfolgung im Rücken künftig Informationen über Neonazis veröffentlichen dürfte.“ Recht hat sie.

Diese Strafrechtsverschärfung hilft den Betroffenen nicht, die überhaupt nicht zwingend informiert werden sollen. Sie bewirkt am Ende das Gegenteil des Bezweckten, fördert Nazis potenziell in ihrem Handeln und bringt die investigative Recherche von Journalistinnen und Journalisten in Gefahr. Das darf nicht verabschiedet werden.