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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Cornelia Möhring,

Diese Stunde sollten sich die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen und der Minister merken; denn ich muss sie mal loben. Der Gesetzentwurf ist tatsächlich gut gelungen. Die Reform der Hebammenausbildung ist allerdings auch lange überfällig. Immerhin soll die EU-Richtlinie bis 2020 umgesetzt werden. Wir alle wissen schon lange, dass Hebammen eine enorme Verantwortung tragen, für die Eltern, besonders natürlich für die Frauen und auch für die Kinder. Sie sind die zentralen Ansprechpartnerinnen vor, während und nach der Geburt. Trotz der ständig wachsenden Anforderungen und trotz veränderter Arbeitsbedingungen gab es seit 30 Jahren – nämlich seit die Berufsgesetze der Hebammen erlassen wurden – keine grundlegende Anpassung der Ausbildung. Es wird also Zeit.

Wenn jetzt die Ausbildung auf ein duales Studium umgestellt wird, ist das ein wichtiger Schritt, um den Beruf attraktiver zu machen und aufzuwerten. Bei aller Zustimmung will ich ein paar Punkte nennen, die unbedingt sichergestellt werden s ollten. Erstens. Es sollte gewährleistet sein, dass das Studium für die angehenden Hebammen gebührenfrei ist – auch dann, wenn sie an privaten Hochschulen studieren.

Zweitens. Das Studium darf nicht mit einer Höchstdauer begrenzt werden. Angehende Hebammen müssen sich die Zeit zum Lernen nehmen, die sie brauchen, anstatt das Studium, getrieben von Leistungs- und Zeitdruck, durchziehen zu müssen.

Drittens. Der vorgesehene hohe Praxisanteil ist unbedingt notwendig. Dafür braucht es qualifiziertes Personal – also Praxisanleiterinnen und -anleiter, die die Zeit und die Ruhe, die sie für diese Arbeit benötigen, auch bekommen. Und deshalb kann und darf die Reform der Ausbildung nicht isoliert von der Situation in der Geburtshilfe diskutiert werden.

Und da, Minister Spahn, sieht es sehr düster aus. Die Versorgung bricht zusammen, weil viele Hebammen ihren Beruf nicht mehr attraktiv finden oder weil sie sich nur noch um die Vor- und Nachsorge kümmern. Vier oder fünf Geburten müssen manchmal zeitgleich betreut werden. Eine gute Versorgung der Frauen ist in den Kliniken kaum möglich. Die Arbeitsbelastung ist hoch – weil Personal fehlt. Und die Vergütung ist angesichts der enormen Verantwortung viel zu niedrig. Es ist doch logisch, dass eine gute Ausbildung nicht hilft, wenn die Arbeitsbedingungen so belastend sind, dass viele den Beruf wieder aufgeben oder schon vorher abgeschreckt werden.

Was wäre also nötig, um den Beruf der Hebamme wirklich „attraktiver“ zu machen? Einzelmaßnahmen reichen nicht mehr, aber es gibt zentrale Stellschrauben. Wir brauchen mehr Personal im Kreißsaal. Und da geht es längst nicht nur um die Hebammen. Es fehlen zum Beispiel Reinigungskräfte, weshalb Hebammen einspringen müssen. In einer Befragung des Deutschen HebammenVerbands gaben 64 Prozent der in Kliniken beschäftigten Hebammen an, ständig bzw. häufig Aufgaben außerhalb ihres eigentlichen Arbeitsbereichs erledigen zu müssen.

Mehrere Geburten gleichzeitig betreuen, parallel Medizinschränke reinigen und am Ende den Kreißsaal putzen, das ist Alltagsrealität. Wir brauchen verbindliche Personalvorgaben für alle Berufsgruppen im Krankenhaus, um diese Stressspirale zu stoppen. Ziel in der Geburtshilfe muss eine Eins-zu-eins-Betreuung sein. Das hält nicht nur Hebammen in ihrem Beruf, sondern macht eine Berufsrückkehr für all diejenigen wieder denkbar, die wegen der schlechten Arbeitsbedingungen die Exitoption gewählt haben. Und eine solche Perspektive ermutigt Menschen, diesen eigentlich schönen und so wichtigen Beruf zu ergreifen.