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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Alexander Ulrich,

Um es vorwegzunehmen: Wir stimmen der Novelle zur Außenwirtschaftsverordnung zu. Die Absenkung der Prüfschwelle von 25 auf 10 Prozent ist eine Mindestvoraussetzung, um auch künftig wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidungen in Deutschland und abgestimmt in Europa möglichst souverän treffen zu können. Aber die jetzige Änderung der Außenwirtschaftsordnung ist eben nur ein erster Schritt, der noch lange nicht ausreicht, um die Binnenwirtschaft und die Belegschaften vor marodierenden Finanzbanden und aggressiven Heuschreckenfonds zu schützen. Firmenübernahmen sollten immer geprüft werden, natürlich erst recht bei sicherheitsrelevanten Infrastrukturen, aber immer auch mit Hinblick auf das Allgemeinwohl.

Die Linke fordert einen gerechten Welthandel mit klaren Regeln auf Augenhöhe, die gleichermaßen Beschäftigung, Umwelt und Verbraucherinnen und Verbraucher schützen. Deswegen müssen auch die Prüfverfahren für Direktinvestitionen und Unternehmensübernahmen transparent, nach klaren Kriterien für alle Beteiligten und nach gleichen Maßstäben organisiert werden.

Doch die gesamte Debatte um ausländische Direktinvestitionen ist heuchlerisch: Einerseits sollen mit Freihandelsabkommen alle Grenzen für renditesuchendes Kapital eingerissen werden. Andererseits bricht sofort blanke Panik aus, und es werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, wenn ausländische Unternehmen mal in Deutschland ihr Glück versuchen. Das ist Investitions-Merkantilismus! So wurde Wirtschaftspolitik im 16. Jahrhundert gemacht. Dieses Vorgehen der Bundesregierung ist zutiefst anachronistisch und ignorant. VW-Chef Herbert Diess sagte im Januar selbst: „Die Zukunft von Volkswagen wird sich auf dem chinesischen Markt entscheiden.“ Wenn aber chinesische Investoren von deutschem Know-how profitieren wollen, wie wir es bei KUKA gesehen haben, wird der gelbe Teufel an die Wand gemalt.

Ich mache mal an einem Beispiel klar, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird: Bei KUKA wurden, entgegen aller Panikmache, von IG Metall und Betriebsrat weitreichende Standortgarantien ausgehandelt, und selbst beim chinesischen Technologieriesen Huawei konnten die Belegschaften in Deutschland ihre Tarifbindung erhalten. Ein ganz anderes Bild ergibt sich, wenn wir auf das Berliner Coriant-Werk schauen. Die ehemalige Siemenstochter Coriant GmbH & Co. KG wurde erst letztes Jahr von dem US-amerikanischen Investor Infinera übernommen. Dieser setzt prompt 400 Beschäftigte auf die Straße und zieht 1 600 Patente ins Ausland ab. Der Netzwerkausrüster lieferte sogar sicherheitsrelevante Hardware für Datenströme der Bundeswehr. Dieser Fall aus Berlin-Spandau zeigt, dass die ganze Debatte um ein „Lex China“ in die Irre führt. Ich fordere die Bundesregierung auf, im Fall Coriant aktiv zu werden und die Übernahme durch Infinera rückabzuwickeln. Eine Außenwirtschaftsverordnung, die solche Fälle nicht verhindert, muss dringend überarbeitet werden. Heuschrecken und Raubtierinvestoren können von überall kommen, und wir brauchen klare und faire Regeln, die Unternehmen und Beschäftigte nicht der Fütterung preisgeben.