Zum Hauptinhalt springen

Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Fabio De Masi,

Matthias Hauer ist einer der feinsten Kollegen im Bundestag. Er ist der Typ, der immer noch einen lockeren Spruch auf den Lippen hat und sich nie beklagt. Er ist unermüdlich in seinem Wahlkreis Essen unterwegs. Er macht nur einmal im Jahr kurz Urlaub. Sein Zusammenbruch zeigt: Es gibt wichtigere Dinge im Leben als den politischen Streit. Ich wünsche ihm von Herzen alles Gute!

Das Thema ist heute der Schutz des Bargelds. Die AfD will dazu das Grundgesetz ändern lassen. Leider ist die AfD bei diesem Thema maximal unglaubwürdig. Die AfD warnt vor der Abschaffung des Bargelds. Richtig ist, dass bei vollständiger Abschaffung des Bargelds der Verlust jeder Privatsphäre droht, weil jeder Einkauf eine elektronische Datenspur hinterlässt. Herr Keuter von der AfD hat in einem auf YouTube zirkulierenden Video übrigens angedeutet, warum er gegen die Abschaffung des Bargelds sei. Man könne ja dann nicht mehr ungestört ins Bordell gehen. Mit Verlaub: Das ist eine sehr eigentümliche Begründung für eine Änderung des Grundgesetzes.

Die AfD ist zudem die einzige Fraktion, die für Facebooks digitalen Coin Libra mit der Begründung wirbt, dass sie für die Freiheit seien. Sie vertrauen nicht Herrn Weidmann von der Bundesbank, dass er unser Bargeld gemäß Bundesbankgesetz schützt, und wollen nicht, dass der Staat weiß, wofür Sie Geld ausgeben. Sie haben aber kein Problem damit, auf dem Schoß von Mark Zuckerberg zu sitzen und Daten der Bevölkerung in Deutschland der US-Datenkrake Facebook, mit mehr als 2 Milliarden Nutzern, auszuhändigen. Wie kaputt ist das denn? Sie wollen uns von US-Konzernen abhängig machen. Dies untergräbt die währungspolitische Souveränität Europas.

Die Linke ist ganz klar gegen die vollständige Abschaffung von Bargeld. Aber wir sind auch gegen die Macht der Finanzkonzerne wie Amazon Pay, Alipay etc.

Die AfD will mehr Macht für Facebook und Co. Sie verteidigen das Darknet der Finanzen wie Bitcoin. Zur Geldwäsche der Reichen, Mächtigen und Kriminellen wie bei den Panama Papers bemerkten Sie, dies sei Notwehr gegen den Staat. Das überrascht nicht: Eine aus dem Ausland gekaufte Partei muss ja ihre Schweizer Franken irgendwie über die Grenze schaffen. Aber die Berliner Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei haben zu Ihren Vorschlägen in der Geldwäsche-Anhörung ganz klar gesagt, dass Sie einen Schutzraum für Terroristen und Kinderpornografie verteidigen. Facebook, der „Islamische Staat“ und Kinderschänder, das sind tolle Freunde.

Nun zum wichtigen Thema Bargeld. Warum ist Bargeld wichtig?

Erstens. Bargeld ist der Kreditschöpfung der Banken entzogen. Das meiste Geld sind nicht Scheine und Münzen, sondern elektronische Zahlen, die von Banken per Knopfdruck geschaffen werden. Wenn eine Bank mein Einkommen prüft und mir dann einen Kredit einräumt, schafft die Bank Geld aus dem Nichts. Das Problem ist, dass Banken im Boom oft zu viele Kredite schöpfen. Und Banken können pleitegehen. Die EZB kann aber in eigener Währung nie pleitegehen, weil sie im Zweifel ja immer Euro drucken kann. Daher ist Bargeld sicheres Geld, weil es von der EZB garantiert wird.

Zweitens. Bargeld erlaubt Schutz vor totaler Überwachung. Wenn wir immer mehr Dinge nur noch online und im Internet bezahlen können, haben wir keine Privatsphäre mehr.

Drittens gibt es eine Diskussion beim Internationalen Währungsfonds, IWF, und bei Zentralbanken. Es wird dabei diskutiert, ob Bargeld zurückgedrängt werden soll, um Minuszinsen auf die Konten von Bürgern zu erleichtern, zum Beispiel indem man sagt: Wer sein Geld abhebt, muss einen Strafzins zahlen, und wer es zu lange auf dem Konto lässt, auch. Wenn die Bürger ihr Geld aber nicht mehr unter das Kopfkissen legen können, ohne dafür bestraft zu werden, kann man sie zum Konsum zwingen – egal wie mies der Lohn ist. Strafzinsen für Bürger sind keine offizielle Position des IWF. Aber das muss natürlich verhindert werden. Wer aber gegen Minuszinsen ist, der muss mehr öffentlich investieren. Denn die Zinsen sind ja nicht nur wegen der EZB niedrig. Sie sind es auch in der Schweiz und anderswo. Denn viel Kapital stehen zu wenige Investitionen gegenüber. Die AfD will aber weniger Staatsausgaben. Und wahr ist auch: Die Realzinsen in Deutschland waren selbst zu D-Mark-Zeiten schon niedriger. Wer niedrige Zinsen für Kleinsparer beklagt, der darf nicht immer mehr Menschen in die private Altersvorsorge treiben. Der AfD-Politiker Jörg Meuthen fordert aber Riester-Pflicht für alle.

Viertens gibt es aber das reale Problem von Bargeld in der Schattenwirtschaft. Der Anti-Mafia-Staatsanwalt von Palermo sagt, wäre er Mafioso, würde er in Deutschland investieren. Wir müssen Bargeld schützen; aber es ist doch absurd, dass man in Deutschland ganze Immobilien mit Bargeld aus einem Rindslederkoffer bezahlen kann und irgendwelche saudischen Scheichs hier ihr Geld waschen und die Mieten treiben. Wir brauchen daher auch Bargeldobergrenzen wie in anderen EU-Ländern.

Wir brauchen mehr öffentliche Investitionen, um die Geldpolitik endlich wieder zu entlasten. Nur dann gibt es überhaupt die Chance, das Zinsniveau wieder zu normalisieren. Wir müssen prüfen, ob es erforderlich ist, die Bürger vor Strafgebühren und Minuszinsen der Banken zu schützen, wenn diese die Einlagensicherung von 100 000 Euro untergraben.

Die Zurückdrängung des Bargelds im digitalen Zeitalter bedroht die Privatsphäre. Wir brauchen daher einen digitalen staatlichen Euro, der Kreditschöpfung von Banken und Datenkraken wie Facebook entzogen ist, etwa durch unverzinste Konten der Bürger bei der EZB. Guthaben bei der EZB wären so sicher wie Bargeld, weil sie von der EZB garantiert sind. Die Anonymität von Transaktionen könnte man unterhalb gewisser Schwellenwerte durch eine Blockchain sichern.

Eine Änderung des Grundgesetzes ist zum Schutz des Bargelds nicht erforderlich. Stattdessen muss die Macht von Konzernen wie Facebook über unser Geldsystem beschränkt werden. Die AfD hat hier nichts anzubieten.