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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Petra Sitte,

Nach dem Lesen des Antrags stellt sich für mich die Frage, was soziales Unternehmertum eigentlich ausmacht. Für die Bündnisgrünen sind Social Entrepreneurs „Treiber der ökologischen und sozialen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft“. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht gerade mal ein halber Absatz darüber, dass diese mehr gefördert werden sollen. Der Begriff des sozialen Unternehmertums bleibt vage. Für mich ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen einer sozialen Unternehmensphilosophie und einer gewinnorientierten, die sich trotzdem der Gemeinnützigkeit und dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt. Denn Gemeinnützigkeit und Profitorientierung schließen sich erfahrungsgemäß aus. Beides geht nicht. Allerdings darf diese feine Unterscheidung zwischen sozialen, gemeinwohlorientierten kleinen und mittelständischen Unternehmen oder auch Start-ups und sozialen, aber hauptsächlich profitorientierten Firmen nicht vernachlässigt werden. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich rede keinem paternalistischen Staatsdenken das Wort, aber es darf nicht Ziel und Sinn der Förderung von Start-ups oder anderen Unternehmen sein, vormals staatliche Aufgaben zu übernehmen und sie extrem kostengünstiger anzubieten. Denn dann leiden die Qualität der Dienstleistungen und das Arbeitseinkommen der Beschäftigten; denn irgendwo muss ja gespart werden. Im vorliegenden Antrag ist das nicht immer trennscharf dargelegt. Man sieht das am Beispiel des Genossenschaftsrechts, das aufgebrochen werden soll. Aber der gesetzlich festgeschriebene Zweck von Genossenschaften besteht nicht in der Erzielung eines möglichst hohen Gewinns, sondern in der Förderung der Genossenschaftsmitglieder. Und man sieht es an der vorliegenden Forderung der massiven Ausweitung des Bundesfreiwilligendienstes. Wie soll das funktionieren, ohne die Arbeitsmarktneutralität zu verletzen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben leider in den letzten Jahren zu oft gesehen, welche negativen Folgen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt. Meine Vorstellungen von sozialem Unternehmertum sind eng mit dem Begriff der sozialen Innovation verbunden. Für mich sind soziale Innovationen solche, die auf Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und soziale Gleichheit zielen. Es sind neue Ideen, kreative Entwicklungen und Adaptionen, die das Wohl aller Menschen im Blick haben, ohne in erster Linie profitorientiert zu sein. Die starke Einbeziehung der Zivilgesellschaft und weiterer Akteurinnen und Akteure ist ein nicht zu gering zu schätzender Faktor dieser sozialen Innovationspolitik. Durch diese Fokusänderung wird – anders als im Antrag der Grünen – nicht nur der wirtschaftliche Teil der Innovationspolitik betrachtet. Wenn wir unseren Blick weiten, erkennen wir die demokratischen Potenziale einer anderen Innovationspolitik. Diese Potenziale drücken sich aus in mehr Bürgerbeteiligung, Wiederaneignung und Verantwortungsübernahme durch die Zivilgesellschaft. In meinem Wahlkreis habe ich mit dem Peißnitzhaus das beste Beispiel gemeinnütziger sozialer Gründungen. Der Trägerverein engagiert sich in sozialen, ökologischen und demokratiefördernden Projekten und will einen Raum für generationsübergreifende Begegnung und das Voneinander-Lernen schaffen. Der sozial-ökologische Umbau unserer Gesellschaft kann mithilfe sozialer Innovationen und sozialen Unternehmertums gelingen, aber nur, wenn diese gemeinwohlfördernd vor profitorientiert sind und nicht einfach Auslagerungen vormals staatlicher Aufgaben.